Verein Schmöckwitzer Wassersportler e.V.

Berichte und Bilder von Fahrten

Wohin der Wind uns weht

Nun beginnt die neue Segelsaison und wir sind dabei, unsere nächste große Fahrt zu planen. Seit wir vor drei Jahren das erste Mal mit unserer Jantar 21 die Boddengewässer und die Ostsee "getestet" haben, lässt uns das Meer nicht mehr los und wir können uns keine Sommer vorstellen, ohne wenigstens einmal vom Boot aus kein Festland mehr zu sehen. Sturm erprobt sind wir ja inzwischen auch. Auf unserer ersten Dänemark-Tour vor zwei Jahren durften wir gut üben und haben die ein oder andere windige Situation gemeistert. Spätestens seit dem wissen wir, dass der Wind unsere Urlaubsroute festlegt, Nun heißt es für uns nur noch "wohin der Wind uns weht"...

So begann auch der Unlaubstörn im letzten Jahr. Wir wussten nur, dass wir drei Wochen Zeit haben würden und auf der Ostsee segeln wollen - Ziel unbestimmt. Am 15. Juni ging es los, Richtung Eisenhüttenstadt, wie früher die "Alten". Wir lieben es auf dieser Route zu fahren und können uns das mit unserem Hubkiel auch erlauben. Es ist angenehm leer und idyllisch, das Wasser ist bis zur Oder hin sehr klar und die Schleusenwärter freuen sich über Arbeit. Selbst an der beeindruckenden Schleuse in Eisenhüttenstadt gab es keine nennenswerte Wartezeit. Der etwas längere Weg gegenüber der Route über die Oder-Havel-Wasserstraße wird durch die Strömung und die Schönheit der Landschaft mehr als wettgemacht. Nach zwei Tagen ist die letzte Brücke durchquert und der Mast gestellt. Endlich segeln, kein nerviges Motorgequärre lenkt von der Erholung ab. Zum "warm werden" gab es eine schöne Tour über den Dabiesee. Dieser war schnell überquert und so schafften wir es Ziegenort noch am gleichen Tag zu erreichen.

Am nächsten Morgen die Entscheidung: Ostsee oder Bodden? Besten Bedingungen „zwangen“uns nach Swinemünde - diesmal also über die Ostsee nach Thiessow. Auch am nächsten Tag hatten wir Glück mit dem Wind. Auf direktem Wege am Königstuhl vorbei fuhren wir nach Lohme, einem unserer Lieblingshäfen. Leider gab es im „Daheim“ noch keine gebratenen Schollen. „Die sind noch zu klein“, sagte man uns. Schade - mit etwas Glück vielleicht auf den Rückweg?

So schnell waren wir noch nie am Ausgangspunkt der "großen Überfahrt", wie wir es nennen, wenn irgendwann kein Land mehr zu sehen ist. „Tja, wohin soll's den diesmal gehen?“, war die große Frage. Leider konnte uns der abendliche Seewetterbericht nicht weiterhelfen. Es war Fußball-Europameisterschaft und Deutschland spielte. Der obligatorische Sendeplatz wurde plötzlich von einer Fußballreportage vereinnahmt. Wir waren sauer. So fuhren wir am nächsten Morgen einfach auf See, um dann zu entscheiden, welche Richtung wir am Ende nehmen - Dänemark im Westen, Schweden im Norden oder Bornholm im Nordosten?

Und dann sprach der Wind: "In diesem Jahr haben Sie einen Bornholm-Urlaub gewonnen". Mit Rückenwind geigten wir in 10 Stunden über den kleinen Teich. Die sich anschleichenden Symptome der Seekrankheit wurden durch die Vorschoterin mit einem starren, an den Horizont gehefteten Blick bekämpft. Der Wind frischte noch auf, so dass wir sehr erleichtert waren, als wir endlich im Sporthafen von Rønne ankamen. Am nächsten Tag war der auflandige Wind so stark, dass sich kaum ein Boot aus dem schützenden Hafen wagte. So legten wir einen segelfreien Tag ein und erkundeten ganz ohne Stress die Stadt und Umgebung. Da wir ohnehin der rituellen Hexenverbrennung um Mittsommer beiwohnen wollten, zogen wir einige Erkundigungen darüber ein. In Dänemark heißt diese Feierlichkeit Sankt Hans Fest und wird immer am 23.Juni gefeiert. Es war also noch etwas Zeit.

Der nächste Morgen brachte eine Wetterberuhigung und so segelten wir nach Norden. An Hammershus Runn vorbei umrundeten wir die Inselspitze um auf die windabgewandten Inselrückseite.zu gelangen. Im Nieselregen segelten wir bis nach Swanecke. Ein wunderschöner, romantischer aber auch überfüllter Kleinstadthafen begrüßte uns. Da wir es etwas ruhiger mögen, fuhren wir zum Nachbarort Listed zurück - eine Nummer kleiner und urgemütlich. Auch hier war ein Riesen-Scheiterhaufen für die bevorstehenden Feierlichkeiten aufgeschichtet. Nur eine knappe Stunde Fußmarsch trennte uns von Swanecke. So fiel die Entscheidung nicht leicht, wo wir den kommenden Abend verbringen wollten . Nach einer kurzen Inspektion fiel die Wahl am Ende auf Listed, schon alleine wegen der tollen Hexe. Das ganze Dorf hatte sich versammelt, um nach Einbruch der Dunkelheit in einer Fackel-Prozession zur Richtstätte zu ziehen und nach altem Brauch mit einem weithin sichtbaren Feuer das Böse zu vertreiben. Der Glutberg auf der Klippe glomm noch bis zum Morgengrauen.

Am folgenden Tag mussten wir wegen starken Windes leider erneut eine Zwangspause einlegen. Irgendwie wurde das langsam symptomatisch für diesen Urlaub - mal zu viel, dann wieder zu wenig Wind. So warteten wir also den folgenden Morgen ab und segelten nur mit einer Ahnung von Luftbewegung nach Christians Ø . Für dieses eigentlich eher kurze Stück brauchten wir fast einen halben Tag, Wir waren kurz davor, den Motor anzuwerfen. Der Besuch auf der wunderschönen, fast märchenhaften Insel bei strahlendem Sonnenschein versöhnte uns aber wieder. Auf dem Rückweg sollte es uns allerdings ähnlich ergehen - und als dann die Dunkelheit nahte mussten wir ganz gegen unseren Ehrgeiz tatsächlich noch den Motor anwerfen, auch um eine Begegnung der "dritten Art" zu vermeiden. Ein riesiger Autotransporter hielt auf uns zu. Am Ende landeten wir wohlbehalten im kleinen Hafen von Sandvig - gleich neben Allinge.

Da es nicht so aussah, als würde sich irgendwann mal eine Ost-Wetterlage einstellen, beschlossen wir, uns allmählich auf den Weg in Richtung Westen vorzuarbeiten, um uns an der schwedischen Küste entlang zu hangeln und damit eine gute Ausgangsposition für die bald anstehende Rückreise zu schaffen. Unser Weg führte uns am 26. Juni als erstes durch das Verkehrs-Trennungs-Gebiet und das ausgerechnet in der Rush Hour. Wir kamen uns vor wie eine Maus inmitten von rasenden Elefanten. Am Ende war es denn dann doch leichter, sich hindurch zu bewegen, als wir angenommen hatten. Vor der schwedischen Küste drehte der Wind ungünstig und es wurde eine Quälerei gegen an, um zum nächstgelegenen Hafen zu gelangen. Um 15 Uhr kamen wir entnervt und von Wind und Wellen gebeutelt in Kåseberga an. Der kleine Hafen sollte sich an diesem Tage noch bis zum Äußersten mit schutzsuchenden Seglern füllen, denn der Wind legte noch zu. Erstaunt waren wir über die unglaublich vielen Touristen, die busseweise dort angekarrt wurden. So toll war der Hafen denn ja nun auch nicht. Als wir später den großen Hügel hinaufkletterten, erfuhren wir warum. Wir waren an der größten erhaltenen Steinsetzung Skandinaviens "Ales Steene" gelandet, einer großen Attraktion, die in Form eines riesigen Bootes angeordnet ist. Bug und Heck weisen genau in Richtung des Sonnenuntergangs zur Sommer- bzw. des Sonnenaufgangs zur Wintersonnenwende. Das haben wir natürlich gleich überprüft - und es stimmt - sehr beeindruckend.

Abends verschwanden die ganzen Touristen. So wurde es trotz des starken Windes und des überfüllten Hafens wieder gemütlich. Am Morgen hofften wir auf weniger Wind, aber es sollte nur geringfügig ruhiger werden. Trotzdem machten wir uns ganz früh auf den Weg in Richtung Westen, denn die weiteren Wetterprognosen waren noch ungünstiger. Wir hatten vor, so weit nach Westen zu gelangen, wie es uns möglich war. Als gegen Mittag eine schwarze Wand aufzog, waren wir auf das Schlimmste gefasst und bargen das Groß, um gewappnet zu sein. Aber - es passierte nichts - im Gegenteil, der Wind schlief ein, während die schwarze Wand über uns hinwegzog. So setzten wir das Segel wieder - natürlich ungerefft, um endlich wieder Fahrt zu machen. Ein großer Fehler, wie sich gleich herausstellen sollte. Auf der Rückseite der schwarzen Wand ging plötzlich ein Sturm los, der alles bisher erlebte in den Schatten stellte. Mit aller Kraft versuchten wir das Segel wieder herunter zu bekommen, was uns nur unter äußerster Anstrengung gelang. Ganz ohne Segel und unter Motor lagen wir schließlich immer noch voll auf der „Backe“ - unglaublich. Der Spuk dauerte etwa 20 Minuten. Als der erlösende Regen einsetzte, hinterließ der Sturm noch eine halbe Stunde Wellen und wir konnten schließlich mit 4-5 Windstärken weitersegeln mit Ziel Gieslövsläge, wo wir gegen Abend völlig erschöpft ankamen.

Wie sollte es anders sein - am nächsten Tag war wieder Zwangspause. Wir wollten ja eigentlich so bald wie möglich nach Rügen zurücksegeln, jedoch es stürmte und regnete und der Wetterbericht sprach sogar von 3m hohen Wellen. Das war für unser Leichtwindboot viel zu riskant. So war abwarten und Trelleborg erkunden angesagt. Aber schon am folgenden Morgen waren die Bedingungen für die Überfahrt geeignet. So stachen wir früh in See um nach eine sehr schönen 9 Stunden Tour wieder wohlbehalten in Lohme anzukommen. Zur Belohnung gab es doch tatsächlich „Daheim“ unser Lieblingsgericht, gebratene Scholle mit Bratkartoffeln. Es war eine Messe.

Nun lagen wir wieder sehr gut in der Zeit. Wegen der doch sehr unsteten Wetterbedingungen beschlossen wir, so zügig wie möglich in Richtung Oderhaff zu segeln und lieber dort noch ein wenig die polnischen Regionen zu erkunden. Das ist ja nun endlich ohne lästige Grenzkontrollen möglich. Gesagt getan, auf in Richtung Thiessow, um dort windgeschützt am Oststrand zu ankern und gleich am nächsten Morgen in Richtung Swinemünde aufzubrechen. Wir besuchten Neuwarp, Altwarp, Wapnica und erkundeten Kreuz und Quer das Haff und am nächsten Tag auch noch den ein oder anderen Ort am großen und am kleinen Dabiesee. So klang der Urlaub doch noch gemütlich aus und wir machten uns am 4. Juli auf den Heimweg - nun natürlich über die Westoder.

Nun sind die Boote schon wieder im Wasser - und wenn die ersten Regatten vorbei sind, heißt es bald wieder, „Wohin der wind uns weht“. Auf jeden Fall irgendwo über die Ostsee.

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