Berichte und Bilder von Fahrten
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Mit dem Stagsegelschoner SS Qualle gemütlich auf der Ostsee unterwegs
Nachdem ich 2013 angesichts der Geburt meiner Tochter das Ostseesegeln in den Hintergrund schob, konnte ich 2014 nicht ablassen und entschloss mich, wieder an Bord zu gehen. Es sollte ein gemütlicher Sommertörn mit kleinen Unwegsamkeiten und Wiedersehensmomenten werden. Den Törn Trelleborg - Kiel schafft man mit Sicherheit auch in der Hälfte der Zeit!
Mit dem Stagsegelschoner SS Qualle gemütlich auf der Ostsee unterwegs
Es sollte mal wieder sein. Ich und die Ostsee. Seit Jahren bin ich dort mit dem Stagsegelschoner Qualle und meinem Freund und Skipper Berni unterwegs. Nur in den Jahren 2007 - aus gesundheitlichen Gründen - und 2013 - wegen der Geburt meiner Tochter Louisa habe ich ausgesetzt.
Insofern kam mir die gemütlich anmutende Törnausschreibung vom 23.08. - 06.09.2014 Trelleborg - Kiel mit Crewwechsel zwischendurch genau richtig. Obwohl…..wenn ich ehrlich bin, ist es mir egal, wo die Reise hingeht. Hauptsache mit Berni auf der Qualle….segeln auf der Ostsee.
Und so wurde für mich und meinem Kollegen, sein Name ist Torsten, der das mal probieren wollte, schon die Anreise zu einer Seefahrt. Rechtzeitig - genau drei Monate zuvor - buchten wir bei der Deutschen Bahn ein Billigkontingent und kamen beide für nur 29 € mit dem ICE von Berlin nach Rostock. Dort setzten wir uns ins Taxi und checkten in die Fähre nach Trelleborg ein. Die Überfahrt dauerte gute 7 Stunden, hatte aber den Vorteil, dass man an Bord schlafen konnte und nicht die Nacht wartenderweise auf einem Bahnsteig verbringt. Morgens gegen 6 Uhr liefen wir mit der Fähre und einem weiteren Gast der Qualle in Trelleborg ein. Doch leider lag die Qualle genau am anderen Ende des Hafens. Das bedeutete eine knappe Stunde Fußweg mit Sack und Pack um sämtliche Hafenbecken.
Glücklich an Bord angekommen genehmigten wir uns erst einmal ein, zwei Kurze und ein kühles Blondes zur Begrüßung. Langsam wurde die Crew wach, kroch aus ihren Kojen. Keine Unbekannten….halb Wismar hatte sich hier versammelt. Währenddessen die alte Crew klar Schiff machte, gingen Torsten, Jürgen und ich zum Lebensmittelbunkern in den nächsten Supermarkt. Diese sind in Schweden etwas anders ausgestattet als man es aus Deutschland kennt. Das machte die Sache nicht grad einfacher, waren doch drei Kerle unterwegs…
Nach und nach kamen dann auch die anderen Gäste und wir konnten tatsächlich noch den furchtbaren Fährhafen Trelleborg in Richtung Gislövlaege verlassen. Ablegen 1700, fest 1800. Das war ein kurzer Ritt von nur 6 Seemeilen (sm). Zur Gewöhnung unserer Gäste, denn ich segelte als Bootsmann mit und wusste was mich erwartete. Der Wind wehte mit 4 Bft. aus Südwest. Das Anlegemanöver an der Slipbahn dauerte hingegen etwas länger. Ein anderer Liegeplatz stand in unserer Größe nicht zur Verfügung, es mochte auch keine der Yachten von der Pier ins Päckchen verholen, um einen Platz frei zu machen. So mussten wir angesichts des Tiefganges mit der Nase zum Land, also mit Backbord an den kurzen Landzipfel der Slipbahn anlegen. Und Backbord ist angesichts der Drehrichtung des Propellers nicht die Schokoseite der alten Dame.
Wir haben viel Dreck aufgewühlt, aber kamen schließlich doch fest. Die Besatzung gestaltete sich nun wie folgt: Skipper: Berni, Bootsmann: Paty, Krissi und Heiko, Frank, Stefan, Nicole, Jürgen und Torsten.
Am nächsten Tag hatte der Wind noch eine Windstärke auf 5 zugelegt, wehte mittlerweile aus West. Die Gäste und wir wollten in Richtung Kopenhagen, drum mussten wir zumindest das erste Stück genau gegenan, schön Höhe ziehen. Teilweise hatten wir die Maschine im Standgas mitlaufen, um die Höhe zu halten. Doch dann nahm das Drama seinen Lauf.
Bruno, unsere Maschine, förderte nicht mehr genügend Kühlwasser, dann plötzlich gar keins mehr. Maschine aus. Nur noch segeln oder besser Höhe stehen. Berni fing an, zu basteln, ich stand am Ruder. Die Wellen ließen uns vor der Hafeneinfahrt Trelleborgs auf eine Untiefe zutreiben, weshalb wir uns für eine Wende auf die offene Ostsee entschlossen. Da wir mittlerweile keine Fahrt mehr im Schiff hatten, setzten wir alles auf eine Karte, starteten Bruno, der uns die Nase durch den Wind schob. Wende geschafft, Maschine aus. Freies Wasser zum Segeln - auch für unsere Gäste. Ich stellte meinen Kollegen Torsten ans Ruder. Da er selbst ein Motorboot bei Berlin besitzt, wusste er zumindest im Groben, was ich von ihm wollte. Ich ging zu Berni in den Maschinenraum…..Stunde um Stunde haben wir alles Mögliche versucht - auch den Impeller der Kühlwasserpumpe gewechselt. Doch lief das Wasser stets weg, die Pumpe schaffte es also trotz neuen Impellers nicht, einen Druck aufzubauen, geschweige denn zu halten. Mittlerweile hatten wir einige Meilen auf die freie Ostsee zurückgelegt, der Wind und die Wellen hatten weiter zugelegt, was Berni und ich im Maschinenraum jedoch nicht mitbekamen. Angesichts dieser Situation entschlossen wir uns, in den Falsterbokanal zu segeln und dort unter Segeln anzulegen. Da wir uns dort im Windschatten befanden, klappte das Anlagemanöver vor der geschlossenen Brücke sehr gut. Diese öffnete später und wir konnten das kurze Stück in den Hafen mit der zwischenzeitlich abgekühlten Maschine bewältigen.
Damit wir unsere Reise fortsetzen konnten, versuchte ich ein letztes Experiment. Der Pumpendeckel schien ausgelaufen, drum drehte ich den Deckel einfach um. Hierzu musste ich jedoch erst die Außenseite von dem Erhebungen der Schriftzüge der Pumpe befreien und planschleifen. Der Aufwand hat sich gelohnt, alle waren glücklich, insbesondere Bruno, der nun wieder Kühlwasser pumpen konnte. Am Ende des Tages standen dennoch 25 sm auf der Logge des GPS.
Am Morgen des 25.08.2014 liefen wir um 1000 bei einem Westwind mit 3 Windstärken aus dem Falsterbokanal aus. Es war sehr bedeckt und mit nur 17 Grad etwas frisch. Klares Ziel: Kopenhagen Nyhavn, welcher nur 24 sm von uns entfernt war. Im Nyhavn selbst gab es keinen Liegeplatz für uns. Wir machten am Old Custom House fest, hatten leider kein Landstrom dort. Während unsere Gäste die Königliche Hauptstadt erkundeten, schlenderten Berni und ich durch den Nyhavn, genossen einen Risted Hotdog, das obligatorische Softice und anschließend ein frisches Fadøl mit Ausblick. Nyhavn - immer eine Reise wert!
Aus dem Nyhavn/Kopenhagen kommend führte uns unsere Reise am nächsten Tag dann nach Klintholm auf Møn. Der Wind hatte im Laufe der vergangenen Tage etwas abgenommen, das Wetter wurde sommerlich, die Laune an Bord stieg. Ein paar Meilen vor der Südwestspitze Møns bekamen wir ein Funkspruch der Dänischen Seenotrettung rein. Demnach sollten wir auf unserem Kurs in Richtung Klintholm die dänische Segelyacht Marianne mit einem Kühlwasserschaden an den Haken nehmen und in den Hafen schleppen. Dort wurden wir bei herrlichstem Sonnenschein gegen 1910 vom uniformierten Hafenmeister im Fischereihafen in Empfang genommen. Eine seltene Erfahrung. Sonst sind Hafenmeister nie uniformiert und nehmen nie Leinen an oder machen einen Liegeplatz an der Pier für uns frei. Stattdessen wollen sie immer nur noch mehr Kronen von den Gästen.
Nach einem sommerlich erfrischenden Ostseebad am morgendlichen Stand von Møn legten wir um 1120 in Richtung Süden ab. Die 20 längsten Meilen der Ostsee standen uns bevor. Wir segelten bei Westnordwestlichen Winden im Landschutz der Küste. Keine Welle aber schöner Wind mit mindestens 3 Windstärken. Nächstes Kursänderungsziel sollte die unbeleuchtete rote Tonne an der Spitzer des Gedser Riff sein, die sich dann auch am Nachmittag dicht an der Qualle vorbeibewegte. Dann jedoch war es mit dem Landschutz der Wellen vorbei und Strom kam noch hinzu, weshalb ab Gedser Fährhafen Bruno unterstützte. Gegen 1800 liefen wir im Yachthafen Gedsers ein. Alle Plätze an der Pier waren wieder von einzelnen Yachten belegt. Dabei waren diverse Boxen frei. Alle schauten zu, wie wir einliefen, niemand verholte jedoch sein Schiff. Schöne Seemannschaft - Schade. Wir passten in keine Box. Und mussten irgendwo festmachen. Welches Schiff könnte am ehesten die Belastung von uns mit etwa 56 Tonnen aushalten? Am Kopf eines Steges dicht bei uns lag ein deutscher Knickspannter, etwa 10 Meter, sehr stabil und stäbig. Wir brachten Fender aus und ließen uns vom Wind sachte drauflegen, als plötzlich die Eigner ganz erregt aus dem Hinterland kamen und anfingen, uns zu beschimpfen. Scheinbar hatten auch sie alles beobachtet, aber es nicht für Notwendig erachtet, den Platz frei zu machen und in eine Box zu gehen. Kein Hafenmeister kein Nix. Doch dann wandte sich ein deutscher Segellehrer an die Eigner und versuchte, die Situation und die Sachlage zu erläutern. Unter Protest ging er in die nächste Box. Bei diesem Anlegemanöver wussten wir, warum der Skipper Boxen offensichtlich zu meiden schien - er rammte mit seiner Leiter und seinem Bugkorb den Steg. Kaputt der Seezaun.
Am 28.08.2014 warteten wir noch den Seenebel ab, ehe wir von Gedser in Richtung des wunderschönen Nysted ablegten. Ein ganz kurzer Schlag von nur knapp 10 sm. Drum waren wir auch dort schon um 1230 wieder fest, erkundeten das kleine schicke Städtchen, schleckerten im Hafen Softice und aßen später auch hier einen Risted Hotdog. Nur nicht so weit weg vom Schiff, ansonsten verirrt man sich noch!
Der 29.08.2014 sollte mit Ausnahme meines Kollegen Torsten der letzte Segeltag für die Gäste sein. Der Kurs musste uns wegen des anstehenden Crewwechsels unbedingt nach Heiligenhafen, durch das Gedser Riff und an den dortigen Windpark vorbeiführen. Trotz des Regens ein beeindruckender Anblick. Zudem hat man diesen in den letzten Jahren von hier aus enorm bis hin nach Rødbyhavn erweitert. Es regnete unentwegt, die Laune an Bord war - auch wegen des Endes dieser Reise - am Tiefpunkt angelangt. Nur wer die richtigen Klamotten anhatte, blieb trocken. Drum blieben unsere Gäste oftmals unter Deck. Ich hingegen hatte meinen „Kampfanzug See“ an und ging Ruder. Immer hoch am Wind, wir hatten nichts zu verschenken. Um 1600 wurden wir in Heiligenhafen von Tom, einem Freund von Berni, mit einem Apothekenschnaps in Empfang genommen. Und schon waren die Frostbeulen unserer Gäste vergessen.
Ehe die Reise mit den nächsten Gästen weiter ging, wurde ein Hafentag eingelegt. Schweren Herzens gingen Krissi und Heiko, Frank, Stefan, Nicole sowie Jürgen nach der Schiffsreinigung am 30.08.2014 von Bord, traten ihre Heimreise an.
Zur Verabschiedungszeremonie kam Rosie aus Wismar, ebenfalls Bootsmann, um neue Instrumente für den Öldruck einzubauen.
Im Laufe des Nachmittags kamen dann auch die neuen „Gäste“ an Bord. Lothar und Susanne sowie Sean. Sean war wirklich ein Gast, der sich sehr, sehr kurzfristig - erst in Heiligenhafen - für unsere Reise entschied. Lothar und Susanne sind Freunde von Berni, kenne sie schon so lange wie die Qualle, also seit 1992. Man konnte fast von einem Familientörn sprechen.
Von Heiligenhafen nach Rødbyhavn am 31.08.2014 und von dort nach Nakskov am 01.09.2014 hielt sich das Wetter sehr bedeckt mit ungemütlichen Temperaturen und drehenden Winden. Dann jedoch, als wir Heike, die Frau von Berni, die sich spontanerweise ankündigte, in Nakskov aufnahmen, konnte man in der Tat von einem Familientörn sprechen. Und auch das Wetter wurde schlagartig wieder sommerlich. Die Wolken verschwanden und die Temperaturen stiegen. Kurze Klamotten waren nunmehr angesagt.
Die Tage verliefen sommerlich ruhig. Von Nakskov segelten wir nach Lundeborg auf Langeland und von dort nach Æroskøbing. Um Heike am 04.09.2014 - ihr Kurzurlaub endete - wieder einen Absprung nach Wismar geben zu können, richteten wir unseren Kurs nach Rudkøbing, wo wir um 1300 ankamen und um 1420 mit dem Ziel Marstall auf der Insel Æro schon wieder ablegten. Landschaftlich schicke Schläge an Inseln und kleinsten Städtchen vorbei. Beachtenswert und nicht zu vernachlässigen ist der hier und da starke Strom in dieser Ecke.
An unserem letzten Segeltag dieses Törns, wir schrieben den 05.09.2014, hatten wir eine noch einmal verhältnismäßig lange Distanz zu bewältigen. Von Marstall nach Kiel sind es 36 sm. Der Wind wehte mit erst nur 2 Windstärken aus E und wir dümpelten so vor uns hin. Schnell wären bei diesem Wind 12 Stunden rausgekommen, ehe wir die Kieler Hörn erreicht hätten. Niemand wollte Bruno behelligen, war doch die Stille und die Sonne zu schön…Nach etwa 2 Stunden Umherdümpeln legte der Wind ordentlich zu, erwachte aus dem Vormittagsschlaf und wehte nunmehr mit bis zu 4 Bft.. Mittlerweile machten wir teils 6 Knoten Fahrt. Die alte Dame lag gut auf dem Ruder, machte richtig Ballett, sie mochte mich nicht 12 Stunden am Ruder hängen lassen. Und so schafften wir die Brückenöffnung an der Hörn auf die Minute genau und waren bereits um 1725 an unserem Liegeplatz fest.
Dann am 06.09.2014 hieß es auch für Torsten und mich nach 361 Seemeilen und 16 Bordtagen Abschied von Berni und seiner alten Dame zu nehmen. Aber: Ich werde es wieder tun und freu mich drauf!
Euer
Patrick
Berlin Weißensee, 16.12.2014
Hast Du Lust auf ein anderes Segeln, fern unseres Reviers? Dann schlag zu, trau Dich. Die Törns 2015 stehen jetzt fest: www.buchsys.de/ss-qualle/angebote/aktueller_zeitraum/index_monate.html. Oder sprich einfach mich an.
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