Verein Schmöckwitzer Wassersportler e.V.

Berichte und Bilder von Fahrten

Aus der Algarve wieder nach Nordeuropa

Am Freitag (18.03.2016) landete ich aus einem kalten verregneten Berlin im sonnigen Faro (Portugal) mit milden fast sommerlichen 18 Grad Celsius. Mein Skipper Berni holte mich vom Flughafen ab nach Portimao. Dort lag die Qualle zum Unterwasserschiffmalen hoch und trocken. Unmittelbar nach meiner Ankunft wurde sie mit ihren 54 Tonnen mit dem Travellift wieder in ihr eigentliches Element gesetzt.

Bereits an Bord: Berni und sein Sohn Finn, Kuddel und Lieschenralph, genannt Lieschen nach seinem damaligem Segelschiff Lise sowie dessen Partnerin Dörte. Es fehlte nur noch Peer, ein Jugendfreund von Berni, den wir dann am Samstag ebenfalls vom Flughafen in Faro abholten. Alles sah nach einem lapidaren Familiensegeln aus, doch wir wollten mehr. Wir sind angetreten, um die Qualle schnellstmöglich wieder in ihre geliebte Ostsee zu bringen. Am Stück ohne Pause, so lange es die Naturgewalten zulassen würden. Wir bunkerten Lebensmittel, Wasser und Diesel, einigten uns bei einem schmackhaften Portwein auf eine rollende Ruderwache, ehe wir unsere Mission aufnahmen und am Sonntag, den 20.03.2016 ablegten.

Sonntag, 20.03. – Montag, 21.03.2016

Wir legten bei leichter Bewölkung und leichtem Wind mit etwa 2 Windstärken aus WSW mit Vollzeug – kleiner Klüver, Fock, Fisherman, Stagsegel und Groß – in Richtung Cabo de Sao Vincente ab. Genau von dort wehte jedoch der Wind her. Insofern war schnell klar, unsere Maschine namens Bruno muss mitschieben. Dänisch kreuzen also. Die Logge hatte zu unserem Start 78 sm auf der Uhr. Am Kap änderten wir unseren Kurs nach Norden auf Sines zu. Der Wetterbericht gab leider nicht mehr her. Um 1830 wurden wir von neugierigen Delphinen begleitet, die vor unserem Steven tanzten. Erst die Nachtwache entschied angesichts der vorherrschenden Wetterlage gegen 0200 am 21.03.2016 und etwa 6 sm vor Sines weiter nach Peniche zu gehen. Wenn Bruno schon mitschieben muss, und der Atlantik es mit der Welle zulässt, wollen wir möglichst viele Meilen in Richtung Heimat gutmachen. Denn der Wetterbericht prognostizierte zunehmende Winde aus Nord, also genau gegenan und die Natur ist stärker. Gegenan macht ab 4 Windstärken absolut keinen Sinn.

Ab Montag 1100 drehte der Wind dann auf Nord, wo wir dann Cascais, einen Vorort Lissabons, querab hatten. Am Nachmittag zog sich der Himmel mit Wolken zu, einige stapelten sich gefährlich in die Höhe. Entwickelt sich da etwa ein Amboss? Nein, aber dafür entwickelte sich an Land ein dickes Gewitter, der Wind nahm auf 4 Windstärken zu und wehte genau aus der Richtung wo wir hinwollten. Angesichts des Gewitters nahmen wir den Fisherman runter und refften das Groß. Gleichzeitig nahm die Welle zu, weshalb wir begannen, Kreuzschläge vor der Küste zu kreieren, um nicht genau gegen die herbe Atlantikwelle kämpfen zu müssen. Noch 20 sm bis Peniche, kein anderer Hafen in Sicht. Augen zu und durch. Lieschen und Dörte zauberten unter Deck aus den Resten des Vortages ein leckeres Frikassee.

Dann gegen 1800 schienen Wind und Welle abgenommen zu haben, weshalb wir nun nur noch Fock und Stagsegel stehen ließen, um auf direktem Weg nach Peniche zu straken. Hier kamen wir bei Dunkelheit um 2210 an, der Zoll stand schon am Steg und kontrollierte unsere Papiere. Erleichtert nahmen wir den ersten Alkohol nach 34 Stunden auf. Die Logge zeigte 264,7 sm.

Dienstag, 22.03.2016

Ausschlafen, spätes Frühstücken und Hafentag in Peniche. Der Wind wehte für uns wieder mit 4 Bft. aus Norden, da wo wir hinwollen. Nach unseren Erfahrungen des Vortages, beschließen wir, hier zu bleiben. Spleißen die gerissene Lazy Jack, tauschen den Block im Mast vom Fishermanfall. Und die Stopfbuchse werden wir mit einer neuen Packung Talkumband versehen. Abends essen wir eine schmackhafte Bolognese. Alles selbst gekocht versteht sich.

Mittwoch, 23.03.2016

Bei stabilen Winden aus Nord mit guten 5 Windstärken bleiben wir wieder liegen. Die Zeit verstreicht, leider ungenutzt, unserem Ziel nicht näher kommend. Aber was soll man sich draußen kaputt machen für einen nur mäßigen Erfolg und einer Materialschlacht. Quatsch, dafür scheint die Sonne und einige Mitsegler suchten nach kulturellen Ereignissen und fanden diese in einem Castel.

Donnerstag, 24.03.2016 – Freitag, 25.03.2016

Beim Aufstehen richtete sich die Natur einen weiteren Tag gegen uns. Zumindest der Wind, die Sonne lachte uns an. Alle hatten Hummeln unter dem Hintern, wollten Meilen schruppen. Gelangweilt verließen wir die Qualle in Richtung Markthalle des Ortes. Hier bekommt man alles frisch aus der Region – Obst und Gemüse. Auch der Fisch ist vor der Haustüre gefangen und absolut frisch. Alles in allem zudem absolut günstig, unsere Taschen waren voll. Es sollte Fisch geben…

Wieder an Bord angekommen schauten wir zuerst in den Wetterbericht ob sich in den letzten 3 Stunden etwas getan hatte. Und siehe da, uns tat sich ein Zeitfenster auf. Der Wind stand zwar noch immer aus Nord, jedoch sollte er abnehmen und dann über West nach Süd drehen. Euphorie stellte sich ein, obwohl wir wussten, dass uns die „alte Welle“ aus Nord ganz schön zu schaffen machen würde. Und wenn dann noch der Wind gegenan kommen würde… Aber wir wollten es wissen, Bruno müsste unbedingt helfen. „Wir schaffen das.“ Und so legten wir um 1345 komplett bestückt und aufgefüllt ab.

Peniche hat eine Insel und eine kleine Halbinsel vorgelagert, ehe wir auf unseren eigentlichen Kurs gehen konnten. Wir nahmen zum Straken Fock und Stagsegel hoch, denn die Wellen türmten sich mächtig auf und die alte Dame holte enorm nach beiden Seiten aus. Der Wind wehte zwar nur noch mit 2 Bft. aber noch immer aus nördlichen Richtungen. Bruno schob mit Marschdrehzahl von knapp tausend Umdrehungen. Und dennoch kam nur ein Speed von etwas über 3 Knoten raus. Mehr Segel und ein anderer Kurs mussten her. Mehr Segel gegen das stetige Überholen nach Luv und wenn wir einen anderen Kurs anlegen würden, würden die mehr Segel auch noch mehr Speed bringen. Wir nahmen den kleinen Klüver und das gereffte Groß zu Fock und Stagsegel hinzu, begannen dänisch zu kreuzen. Wir waren bei den Segeln verhalten, denn draußen vor der Atlantikküste waren Winde mit 8,9,10 Windstärken vorhergesagt, die dann erst in den kommenden Tagen auf die Küsten treffen sollten. Da wir jedoch auf unserem Kurs nicht immer Internetempfang für Wetterbericht hatten, gingen wir auf Nummer sicher und setzten gleich die kleine Garderobe.

Der frische Fisch zum Abendbrot musste im Kühlschrank warten. Bei eine rollenden Wache gaben wir uns mit kulinarischen Kleinigkeiten zufrieden. Das ungewohnte Rollen des Schiffes setzte allen mehr oder weniger zu.

Erst in den frühen Morgenstunden des Karfreitags drehte der Wind ganz, ganz leicht nach NNW. Der Luftdruck blieb konstant bei 1027 hpa, die Temperatur bei etwa 10 Grad Celsius. Die Welle und der Wind hatten mittlerweile abgenommen, weshalb wir das dänische Kreuzen in einen direkten Kurs umwandelten.

Um 0800 zog sich der Wind gänzlich zurück, war eher umlaufend. Die Ruhe vor dem Sturm? Zudem hatte sich der Himmel komplett zugezogen und am Horizont bildeten sich immer wieder graue Wände, die sich dann aber immer wieder auflösten. Wir waren zwischen 15 und 20 Seemeilen von der Küste Portugals entfernt. No risk no fun. Wir gehen weiter und schruppen Meilen gen Norden. Bruno bringt uns emsig voran. Um 0900 zeigte unsere Logge 361,1 sm, der Wind deutete an, aus Südwesten kommen zu wollen. Erst um 0950 kann man den Wind mit SSW 1 umschreiben, eindeutig Platz nach oben.

Porto lag um 1350 querab hinterm Horizont, die Logge zählte dann insgesamt 391 sm, wobei der Wind aus SSE mit 2 wehte. Zum alleinigen Segeln reichte es jedoch leider noch immer nicht.

Der Luftdruck beginnt gegen 1600 langsam auf 1025 hpa zu sinken. Ein Indiz für mehr Wind. In der Hoffnung auf Segeln und mehr Speed zogen wir unser letztes Segel, den Fisherman. Das GPS zeigte uns stetige 5 – 6 Knoten. Langsam machten wir uns Gedanken, ob wir und wenn, wo wir in den Hafen gehen oder noch ein Paar Stunden Meilen machen. Mittlerweile waren wir wieder dichter an die noch immer portugiesische Küste gekommen. Das Wetter verschlechterte sich, der Wind nahm tatsächlich zu und war segelbar. Um 1830 stellte sich Dauerregen ein, wir entschlossen uns, nach Viana do Castelo am Fluss Rio Lima einzulaufen. Lischen und ich verschwanden in die Küche, verzauberten unseren gut gekühlten frischen Fisch mit Salat und Süßbohnen an Kartoffelstampf.

In der Flussmündung nahmen wir die Segel runter, das Wasser war stark ablaufend, der Strom immens. Das merkten wir erst, als wir durch die enge Einfahrt in den Citysporthafen vor der flussquerenden Brücke wollten. Quer passierten wir im Dunklen diese Einfahrt – spektakulär. Und dennoch kein Liegeplatz für uns vorhanden. Wir gingen wieder raus und legten uns an den Schwimmsteg unmittelbar vor dieser Einfahrt. Angesichts des enormen Stromes eine Herausforderung.

Um 2010 waren wir samt Elektrospring fest und saßen hungrig am Tisch. Gefräßige Stille stellte sich ein, bis zum Platzen. Als Absacker ein, zwei, drei kleine Portweine und ab in die Kojen.

Samstag, 26.03.2016 – Ostermontag, 28.03.2016

Regen, Regen, Regen und prognostiziert viel Wind mit 8-10 Windstärken aus den falschen Richtungen. Ausschlafen und Abwarten ist angesagt. Beim Landspaziergang können wir die Mole sehen, aber auch die Tunnelwelle, die sich dort bildet. Ein Paradies für jeden Surfer. Aber nix für eine alte Dame. Brandy, Portwein und Weinschläuche hatten insbesondere abends eine kleine Halbwertzeit. Party und Gesang auf allen Decks. Wäsche haben wir in den wenigen Stunden eines durchwachsenen Sonnenscheines auch gewaschen. Der Fleecestrampler ist wieder frisch.

Dienstag, 29.03.2016

Das Hochwasser ist um 0700, weshalb wir kurz vor diesem um 0630 ablegten. Brunos Anlasser benötigte einen kleinen lieben Weckschlag mit dem Hämmerlein, ehe er wie eine Westtaxe ansprang.

Ablegen bei Regen und in aller Dunkelheit mit der Ungewissheit, was einen in der Hafeneinfahrt und draußen auf dem Atlantik alles erwarten wird. Der Wind sollte weniger geworden sein und sollte zudem nach Südwesten gedreht haben. Das schien zu stimmen, jedoch war die Welle mit knappen vier Metern sehr beeindruckend. Noch im Schutze der Flussmündung des Rio Lima setzten wir den kleinen Klüver, die Fock, das Stagsegel und das gereffte Groß, der Fisherman blieb noch unten. Die Sicht war angesichts der tiefhängenden Wolken, des Regens und der vorherrschenden Nacht sehr schlecht.

Der Wind allein konnte nicht den erforderlichen Vorschub leisten, war schwächer als gedacht, dafür war die Welle jedoch stärker als angenommen, weshalb die alte Dame ganz schön überholte. Das war eine Schaukelei. Wir hatten für unseren geplanten Sprung nach Muxia (Spanien) als Absprung über die Biskaya, nicht alle Zeit der Welt. Wir mussten die etwa 100 sm bis um und bei Mitternacht geschafft haben, ehe der Wind wieder auf die Nase drehen und zugleich zunehmen sollte. Für einen erforderlichen Speed von 5-6 Knoten musste Bruno mitdrücken. Als es hell war, zogen wir gegen das Überholen den Fisherman und konnten die Drehzahl von Bruno reduzieren. Das Wetter war ungemütlich, meine eingepackten kurzen Hosen waren völlig deplatziert. Bis auf die eingeteilten Wachen waren kaum mehr Crewmitglieder an Deck, alles verkroch sich in seine Kabinen. Zwischendurch gab es von mir vorgebratene echte Berliner Bouletten auf die Hand zum Essen. Im Laufe des grauen Wintertages passieren wir die Grenze zwischen Portugal und Spanien, stellen die Uhren um. Wir haben wieder die Deutsche Zeit an Bord. Um 1430 können wir Bruno eine Pause gönnen, laufen sogar zwischen 8-9 Knoten. Als wir gegen 1800 Kap Fenisterre erreichen macht uns das schlechte Wetter einen Strich durch die Rechnung. Erst nahm der Wind wieder ab, dann konnte er sich nicht für eine richtige Richtung entscheiden, kam umlaufend und stellte sich dann etwas später gegen uns und wehte konstant aus Nord, nahm dafür auch noch zu. Die See am Kap war entsprechend kappelig, Bruno musste wieder ran und drückte mit 5 Knoten. Zudem stellte sich wieder heftiger Dauerregen ein, wobei die Niederschlagsmengen hier regelmäßig weit über deutschen Verhältnissen liegen.

Zwischenzeitlich war es wieder dunkel geworden, sehr dunkel. Und in Seezeichen sind die Portugiesen und Spanier eher zurückhaltend. Aber wir haben den kleinen Hafen in den Felsen dank digitaler Kartennavigation genau gefunden. Plötzlich gab es auch eine rote und grüne Mole. Um 2350 Deutscher Zeit lagen wir am Schwimmsteg in Muxia fest. Lieschen zauberte aus dem Rest des Eintopfes vom Vortag ein herrliches Abendbrot. Ein paar Drinks mussten noch sein, gegen 0330 ging es dann bei Regen in die Kojen.

Mittwoch, 30.03.2016 – Donnerstag, 31.03.2016

Dauerregen, Kälte, Nordwind mit 5 Bft. und mehr. Diverse Wetterberichte geben für die anstehende Überquerung der gefürchteten Biscaya an den mindestens drei nächsten Tagen keine gleichlautenden Wetterberichte. Im Gegenteil, wir sprechen von mindestens drei verschiedenen Variationen aufs Thema. Die Wetterlage scheint demnach instabil. Wir wollen kein Risiko eingehen und bleiben in Muxia. Am Donnerstag zeichnet sich für uns ein relativ sicheres Zeitfenster ab Freitag ab. Wir feiern und tanzen bis in die frühen Morgenstunden, sind uns einig, es wagen zu wollen. Am Freitag legen wir ab.

Freitag, 01.04.2016 – Mittwoch, 06.04.2016

Am späten Freitagvormittag beginnt sich Leben an Bord zu regen. Wir wollten doch ablegen… die Sonne schien, der Wind hatte auf 3 Windstärken abgenommen und auf Südwest gedreht. Die lang ersehnte Vorhersage ist tatsächlich eingetreten. Schnell Wasser bunkern und dann um 1220 ablegen. Die Logge zeigte jetzt schon 526 Seemeilen. Im Schutz der Felsen setzen wir alle Segel: kleiner Klüver, Fock, Fisherman, Stagsegel und gerefftes Groß. Einige von uns waren vom Vorabend noch ein wenig gezeichnet und verzogen sich wieder in die Kojen. Angesichts eines rollenden Wachplanes wusste jeder von uns, wann er dran war. Am Tage Vier-Stundenblöcke bestehend aus jeweils zwei Stunden Rundergehen und Ausguck. Für die Nächte entschieden wir uns für eine verkürzte Wache von insgesamt nur zwei Stunden für Rudergehen und Ausguck. Da wir insgesamt 7 Crewmitglieder waren, verschoben sich unsere Wachen zudem. Eine sehr angenehme Form der Wachführung, insbesondere weil nicht immer der Selbe die Hundewachen von 0-4 hat.

Das Wetter spielte bei nur leichter Bewölkung, einem Luftdruck von 1019 hpa und etwa 12 Grad Celsius sehr gut mit. Zum Abend hin drehte der Wind noch südlicher und nahm noch etwas ab. Gut für die erste Nacht zum Gewöhnen auf der Biscaya. Unbemerkt sank der Luftdruck auf 1017 hpa. Unser Generalkurs betrug etwa 30 Grad, einen guten Stich nördlicher als Nordost.

Am Samstagmorgen (02.04.2016) um 0118 brach die Schot vom Fisherman, weshalb wir ihn runternahmen und zwecks Reparatur auf den Tag warteten. Der Wind hatte in der Nacht über Süd nach SSE gedreht, der Luftdruck weiter abgenommen, der Himmel sich stark bewölkt. Das Wetter hatte sich zumindest für die visuelle Wahrnehmung verschlechtert, für unser Fortkommen jedoch irrelevant.

In der Zwischenzeit wurde eine andere vorhandene Schot am Fisherman angeschlagen und dieser wieder gesetzt. Doch die Freude hielt nicht lange, riss auch diese wenige Stunden später. Um 1500 begann unsere Reparatur der eigentlichen Fishermanschot. Alle Mann waren nach der ersten Nacht auf See fit an Deck gekommen und entsprechend positioniert, Finn in den Bootsmannsstuhl gesetzt. Mit der Ankerwinde und dem Großfall zogen wir ihn ganz nach oben. Die alte Dame machte in der ganz normalen Atlantikwelle erhebliche Bewegungen, im Top mit einem Mast mit 21 Metern – hier kommt die Hebelwirkung erst richtig zur Geltung – noch mehr. Finn sollte zum Einen eine neue Schot in den Block einfädeln und unvertütert an Deck fieren und zum Anderen die alten abgerissenen Schotreste aus dem Rick entfernen, ehe diese unkontrolliert ins Wasser fallen und in die Schraube kommen…

Rodeo reiten ist lächerlich dagegen, die Herausforderung, die Anspannung und die Übelkeit dort oben standen ihm ins Gesicht geschrieben. Aber: Er hat seinen Job gut gemacht und landete wohlbehalten in unserer Mitte an Deck. Der Fisherman ging sofort wieder hoch, Meilen schaffen!

Zum späteren Nachmittag gelangen wir zur Erkenntnis, dass der durch Lieschen mit vielen frischen Zutaten vorgekochte Eintopf durch die enorme Schiffsbewegungen leider schlecht geworden war. Insofern hatten wir nur noch meine vorgebratenen Berliner Bouletten und hart gekochte Eier in rauen Mengen. Aber Peer lässt sich damit nicht abspeisen und kocht Nudeln mit einer leckeren Tomatensoße.

Der Wind, also unsere Sonne hatte zwischenzeitlich klar östlicher gedreht, wehte nun aus SE. Das Barometer ist unbemerkt weiter auf bis zu 1006 hpa gefallen. Ein klares Zeichen für einen zunehmenden Wind. Und so war es auch, er nahm auf 4 Bft. zu.

Zu meiner Wache - um Mitternacht beginnend (Sonntag, 03.04.2016) – schien das Ende dieser Fahnenstange noch nicht erreicht. Der Wind wehte nunmehr mit 6 Windstärken und Starkwindböen über die Biscaya. Begleitet von einer entsprechenden Welle und vielen nassen Regenwolken, die sich über uns ergossen. Das volle Programm also. Von oben und von unten nass. Die Wellen schossen über Deck. Abwettern, Abfallen was das Zeug hält, Kurs egal, Platz ist auf der Biscaya genug. Jetzt wussten wir wozu der kleine Klüver und das gereffte Groß. Den Fisherman hatten wir glücklicherweise bereits um 2020 geborgen.

Das Ruder übergab ich nach meinen Surfstunden an Skipper und Eigner Berni. Vertrauensvoll klammerte ich mich an die Matratze meiner Koje und konnte ruhen, Energie tanken. Wer weiß, wann wir alle zum Manöver wieder raus müssten…

Jedoch trat dieser Situation nicht ein, der Wind beruhigte sich in den folgenden Stunden und pegelte sich bei 4 Windstärken ein. Jedoch drehte er dabei auf Süd, weshalb wir mehrere Halsen fuhren. Der Himmel riss wieder auf, lies die Sonne für unsere Gemüter scheinen. In den Nachmittagsstunden begleiteten uns mehrfach Delphine, schwammen kreuz und quer am Schiff längst und sprangen uns dabei entgegen. Nett anzusehen, für uns Ost- und Nordseesegler eher eine Ausnahme, wenn es mal einen Thümmler zu beobachten gibt.

Am späten Abend wissen wir ganz sicher, dass wir die Biscaya erfolgreich zugleich sicher abgesegelt haben. An Steuerbord haben wir Brest (Frankreich) querab. Lieschen zauberte prompt süße und herzhafte Pfannkuchen aus absolut eigener Teigherstellung zum Abendbrot. Äußerst schmackhaft. Danach ab in die Koje, denn die Nachtwache lässt nicht lange auf sich warten. Zuvor haben wir nämlich entschieden, weiter zu gehen, so weit wie das Wetter mitspielt. Wir haben jetzt Land mit wieder mehr Häfen an unserer Seite, in denen wir in nur wenigen Stunden gegebenenfalls Zuflucht finden würden.

In den frühen Morgenstunden meiner Wache am Montag (04.04.2016) segeln wir ohne Fisherman an der französischen Küste in den englischen Kanal. Absolute Dunkelheit stellte sich ein, und weit und breit ist kein Schiffsverkehr zu sehen - und das auf der vermeintlich am meisten befahrenen Wasserstraße zumindest Europas?! Komisch. Unser Wind hatte zwischenzeitlich abgeflaut und wieder auf SSW gedreht, der Himmel sich zugezogen und der Luftdruck mit 1001 hpa seinen Tiefstand unserer Reise eingenommen. Der Generalkurs des Tages beziffert sich auf 55 Grad COG.

Beim morgendlichen Setzen des Fishermans verhakte sich dieser am stehenden Gut und riss die Tauwerkseele aus dem Vorliek. Bergen – Tapen – Nähen – Setzen – Weitersegeln.

Erst im Verlauf des späteren Montages klarte es wieder auf und der Wind drehte weiter westlich, auf nunmehr WSW. Um 1700 kommt Guernsey Steuerbord in Sicht und Lieschen verzieht sich nach seiner Wache in die Küche, beginnt aus den mittlerweile übersichtlichen Beständen unserer Speisekammer einen kreativen Frei-Schnauze-Eintopf zu kochen. Um 2010 haben wir seit unserem Auslaufen in Muxia (Spanien) keinen Telefon- oder gar Internetempfang gehabt. Die Drähte glühen.

In der Nacht zum Dienstag (05.04.2016) setzt uns mangt den Inseln des Englischen Kanals das Alderney Race übel zu. Strom und die Düsenwirkung des Tidenstromes stehen gegen uns, auch der Wind dreht für wenige Stunden auf Nord und nimmt dann auch noch ab, Bruno schiebt mit voller Drehzahl mit und so benötigen wir immerhin drei Stunden, die 5 Seemeilen zu überwinden. Die Nacht ist klar und wolkenlos.

Bereits vor 0600 geht der Fisherman wieder hoch. Der Generalkurs des heutigen Tages lautet 70 Grad. Erst im Laufe des Vormittages dreht der Wind in westliche Richtungen, nimmt wieder zu und bringt uns voran. Sonne macht sich breit. Die Stimmung an Bord ist bestens, trotz der Ernüchterung des Alderney Race. Zudem wissen wir nun, was passiert war: Unser Rechner, der uns die Tidendaten rausgibt, war auf eine falsche Uhrzeit eingestellt, weshalb wir in dieses Race reingegangen sind mit der Annahme der Strom müsste mit uns sein, anderweitig wären wir weiter auf See gegangen.

Um 1541 überqueren wir den Nullmeridian. Ein kleiner Pernod ist trotz des Alkoholverzichts drin. Um 1600 zeigt unsere Logge schon 1160 Seemeilen, wir kommen also gut voran. Also weiter, immer weiter in Richtung unserer geliebten Ostsee. Und wie immer hat sich Lieschen unmittelbar nach seiner Wache um unser Abendmahl gekümmert. Die Türe unserer Vorratskammer wölbt sich schon fast nach innen, doch er schafft es immer wieder, uns satt zu kriegen. Lapskaus, zwar ohne frischen Matjes aber nicht minder lecker. Hinsichtlich unserer Lebensmittelplanung und Bevorratung waren wir ursprünglich davon ausgegangen, nach der Biscaya von Bord zu gehen. Jedoch soll man Feste feiern wie sie fallen, alle hatten Zeit und die Naturgewalten meinten es gut mit uns. Also weiter!

Irgendwie habe ich mir den Englischen Kanal jedoch anders vorgestellt. England konnte man bislang (von vor der französischen Küste) nicht sehen. Verkehr gab es wenig. Nun gut, Calais und Dover könnten diesen Eindruck ja noch korrigieren. Diese engste Stelle des Kanals erreichten wir gegen 0400 des Mittwochs (06.04.2016). Und tatsächlich: hier war richtig was los, querender Fährverkehr und mitlaufender Kanalverkehr des Verkehrstrennungsgebietes, die Häfen mitten in der Nacht taghell, viele Tonnen, insbesondere Untiefen. Der Wind hatte mittlerweile wieder etwas abgenommen und wehte nun aus süd-/südwestlichen Richtungen. Aber der Strom des Kanals glich unseren Speed aus. Tolle Erfindung solch ein Kanal, aber nur, wenn du den Strom nicht gegen dich hast…

Oostende in Belgien sollte nunmehr unser Ziel sein. Also zumindest für mich meine letzte Wache in dieser Nacht. Insofern nutzte ich die Gelegenheit, dass die Gesamtlogge um 0630 3333 zeigen sollte für einen weiteren kleinen Pernod. Dann ab in die Koje.

Der Wetterbericht hatte für den Vormittag in Oostende, also genau zur Einlaufzeit, einen Westwind mit mindestens 6 Bft. vorhergesagt. Zum Abschluss des Törns noch ein „Molenotto“ gefällig? Dieser Wetterbericht stimmte zu 100 %. Unmittelbar vor der Hafeneinfahrt legte der Wind stark zu, legte die Qualle auf die Seite, ließ sie Speed aufnehmen. Plötzlich rummste es auf dem Vorschiff und der kleine Klüver schlug wild um sich. Die Schot war einfach gerissen. Ermüdet vom Dauereinsatz. Jedoch hatten wir gerade die Molenköpfe passiert und wir nahmen alle Segel komplett weg.

Wir waren fast am Ziel. Die Logge zeigte 1286 sm. Von unserem Liegeplatz in Oostende trennte uns noch eine kleine Schleuse und eine Klappbrücke. Dann lagen wir mitten im Stadtzentrum unweit des Bahnhofes und eines Supermarktes. Beide Institutionen suchten wir nach dem ein oder anderen Anleger auf, um unsere Heimreise und das letzte Abendmahl an Bord vorzubereiten. Zudem war unser Weinvorrat angesichts der letzten Party in Muxia erheblich reduziert, weshalb wir fürchten mussten, diesen Abend verdursten zu müssen…

Ein vorerst letztes Mal kochten Lieschen und ich herrliche Stücken gut aussehendes Frischfleisch mit frischem Gemüse als Beilage. Ein Genuss. Und der dann folgende Rotwein erstmal…

Am nächsten Morgen wollten wir um 0730 von Bord. Pyjamastart also. Ich war der Erste und weckte die Mitreisenden mit frischem Kaffee, die es teilweise sehr schwer hatten, die Äugelein zu öffnen, mussten dann aber auch noch ihre Taschen packen. Berni und Finn haben es erst gar nicht geschafft „Goodbye“ zusagen. Trotz des Kaffees ans Bett. Man, muss das wieder eine Abschiedsparty gewesen sein?!

Lieschen, Dörte, Peer und ich saßen pünktlich im Zug und traten unsere Heimreise in Richtung Brüssel an. Von dort ging es gemeinsam weiter mit dem Zug nach Köln. Hier trennten sich dann unsere Wege. Die Drei nach Hamburg und ich wieder nach Berlin.

Erst im Zug, in der hektischen Zivilisation, in dem ganzen Menschengemenge wurde uns klar, wo wir gerade eben noch waren. Nämlich in der Wildnis, auf dem menschenleeren Atlantik. Auch wurde uns klar, was wir geschafft hatten. Wir haben die Biscaya im Frühjahr überwunden, die Qualle einen großen, gar sehr großen Schritt in Richtung Heimat gebracht, insgesamt 1208 Seemeilen zurückgelegt. Beeindruckend.

Am 07.04.2016 gegen 1800 hatte mich Berlin wieder und ich konnte an unserem Supersamstag (09.04.2016) mit Slippen, Kranen und Trailerstapeln dabei sein. Erfolg und ein schöner Urlaub sind plan- und buchbar: www.ss-qualle.de, Telefon Berni: 01723053246.

Euer
Patrick
Berlin Schmöckwitz, 05.05.2016



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