Verein Schmöckwitzer Wassersportler e.V.

Berichte und Bilder von Fahrten

Mit der Qualle kurzer Hand von Malaga nach Malta

Ja, was soll ich sagen? Im Frühjahr 2016 holten wir den Stagsegelschoner Qualle aus der Algarve (Portugal) wieder nach Nordeuropa. Damals wollte mein Skipper unbedingt wieder zurück in seine Heimat, in die Ostsee. Nun zog es ihn seit Sommer 2018 wieder in die südlichen Gefilde Europas…

Geplant war unser Urlaub auf der Qualle deshalb eigentlich ganz anders. Die Flüge für meine Tochter und mich waren schon im Januar gebucht. Von Berlin mach Neapel (Italien), dort auf die Qualle aufsteigen, segeln und dann wieder ab nach Hause mit dem Flugzeug von Malta nach Berlin. Der Plan war gut, nur klappen musste er…

Und der Plan klappte schlussendlich nicht ganz so. Es kam alles irgendwie ganz anders. Trotzdem kann diese Freundschaft nix trennen. Das erste Mal in meinem 25 jährigen Qualleleben musste ich verstehen und realisieren, dass es nicht so funktionierte, wie wir mittlerweile alten Männer – damit meine ich Berni, den Schiffseigner, und mich – uns das ursprünglich vorstellten. Dass die Natur stärker ist als wir, war uns schon immer klar. Mit jedem Schlag zollten wir unserer geliebten See Respekt. Doch diesmal war es anders. Anders deshalb, weil ihn nicht die See hinderte, sondern ihn die deutschen Behörden in Portimao (Portugal) festhielten und ihn nicht in Richtung Mittelmeer auslaufen ließen.

Demnach konnte er meine Tochter Louisa und mich nicht zu unserem Termin am 20.07.2019 in Neapel aufnehmen. Das teilte er mir im Juni telefonisch mit. Demnach schwand für mich auch die Wahrscheinlichkeit eines Rückfluges von Malta nach Berlin. Ich stornierte alle vier Flüge mit dem Wissen, eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen zu haben.

Deshalb auch für Euch alle zur Information: Von den Fluggesellschaften bekommt man bis auf kleine Flughafen- und Spritsteuern nichts zurück. Aber auch nicht von der der ERGO als Reiserücktrittsversicherung. Sie passt demnach definitiv nicht zu alternativen Urlaubsplänen eines Seglers, jenseits von Pauschalreisen! Der Verlust nicht ganz unerheblich.

Da es nichts zurückerstattet gibt, solltet ihr in solchen Situationen Eure Flüge besser behalten und dann versuchen, diese sinnvoll für einen späteren Kurzurlaub umzubuchen.

So gestaltete sich die Ausgangssituation Mitte Juli. Am Donnerstag dann, dem 18.07.2019, lockerte die Behörde endlich die Sanktion gegen Berni. Sofort machte er sich auf den Weg, raus aus den Tidengewässern, weg vom Anker, an dem er nunmehr mehr als 6 Wochen hing. Raus aus dem Lagerkollaps. Tide hoch – Flussstrom rein, Tide runter – Flussstrom raus, hält der Anker?, reicht der E-Strom?, Warmwasser Mangelware, Trinkwasser limitiert, jeder Einkauf nur mit Beiboot, keine Gespräche und wenn, nicht in der Muttersprache…

Schnell war das Ziel ausgemacht. Gibraltar. Diese 170 sm segelte er alleine durch. Einfach, um ins Mittelmeer zu kommen. Auf diesem Schlag konnte ich ihn via AIS und Marine Traffic weitestgehend beobachten… Da kam der Gedanke an den Urlaub mit Louisa. Auch sie sollte die Qualle, meine Jugendzeit, unbedingt kennenlernen. Solange sie es noch in dieser Form auf den Weltmeeren gibt. Ich fackelte nicht lang, telefonierte mit Berni und verabredete uns für Sonntagvormittag (21.07.2019) in Malaga! Prompt buchte ich zwei Flüge für Louisa und mich. Oneway versteht sich. Das war der Grundstein für einen völlig ungewöhnlichen Urlaub an Bord meiner Qualle. Es sollte eine tolle, jedoch anstrengende Zeit werden. Bislang haben wir alles gemeistert, Berni und ich. Warum nicht auch diesmal?

Louisa und ich ließen uns am Sonntag, den 21.07.2019, gegen 0400 von Mutti Katrin zum Flughafen Schönefeld bringen, von wo aus wir um 0600 mit easyjet nach Malaga an der spanischen Mittelmeerküste fliegen sollten. Malaga liegt gute 100 sm nordöstlich von Gibraltar. Auch diese segelte Berni mit der Qualle planmäßig ganz allein… Der Abschied aus Berlin fiel leicht. In der Nacht zog eine Gewitterfront über den Südosten Berlins. Der Sommer schien vorbei, herbstliche Kälte machte sich breit, Regen, Gewitterschäden in der Region…

Der Check in für mich als Seltenflieger eine schlechte Überraschung. Nur Automaten, kaum Menschen. Ich klickte einfach an, keine gefährlichen Gegenstände mitzuführen. Kontrolliert hat das in den Reisetaschen niemand. Und die waren mit 48 Kilo 2 Kilo zu schwer. Auspacken oder Nachlösen, das war hier die Frage. Doch was nur auspacken? Den lebensnotwendigen Gin? Das Gutelaunekinderspielzeug? Das Ölzeug nebst Seestiefel? Das Bettzeug? Nein, nix eine wirkliche Option. Pralles Nachzahlen war die Folge. 15€ das Kilo, insgesamt also 30€.

Die schwerere Tasche sollte sogar durch das Röntgengerät. Was ist die Röhre auf dem Bild, fragte die Sicherheitsbeamtin? Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit mein Devise: Der Schwimmkörperhandgriff der Gopro. Erst im Nachgang fiel mir ein, dass die Gopro nicht in der Reisetasche lag, als vielmehr im Handgepäck. Es war also die CO2 Kartusche von Louisas Automatikweste… hat einfach keinen interessiert… und los gings. Gestartet mit 15 Minuten Verspätung – leider nicht über unseren wunderschönen Langen See – und dennoch pünktlich gelandet. Bis unmittelbar vors Schiff im Hafen von Benalmadena ging es vom Flughafen Malaga mit dem Taxi für etwa 25 €. Benalmadena ist in Andalusien angesiedelt, eine Gemeinde der Provinz Malaga. Der Flughafen Malaga ist nur etwa zehn Straßenkilometer vom Yachthafen entfernt. Diesen erreichten wir gegen 1030. Berni nahm uns herzlich lächelnd in Empfang. Die Qualle hatten wir für ganz allein, drum schnell eingezogen, die „Kindersärge“ ausgepackt und vorhersagegemäß um 1057 einen Begrüßungs-Gin-Tonic inhaliert. Endlich daheim…

1.Tag – Sonntag, 21.07.2019 / Benalmadena - Torre del Mar (Spanien)

Sonne ohne Ende, mehr als warm, kleinste Bewegungen führten unweigerlich zum Schweißanfall. Der Wind wehte mit nur etwa 2 Bft aus W. Kühlungseffekt Fehlanzeige. Unter Deck war es schlicht nicht auszuhalten.

Nach dem Angekommensein sondierten wir die Lage. Wasser und Diesel hatten wir. Nur Lebensmittel und Getränke waren nicht so reichlich an Bord, weshalb wir uns zum Shoppen begaben. Natürlich zu dritt. Für Berni muss das ein Kulturschock gewesen sein, wieder mit echten, zudem deutschsprechenden, Menschen zu tun zu haben. Aber er hat sich gut geschlagen. Tatsächlich fanden wir einen gut ausgestatteten Supermarkt in unmittelbarer Nähe zum Schiff. Ohne einen tatsächlichen Essenplan, die Augen größer als die Hände zum Tragen erledigten wir einen 88er Rundschlag. Irgendwas geht dann immer. Um die Lebensmittel zu bevorraten, nahmen wir prompt den zweiten Kühlschrank in Betrieb.

Alles verstaut, waren wir uns schnell einig, abzulegen. Was wollten wir noch dort? Um 1420 schritten wir zur Tat und verließen den Hafen. Erst unterwegs entschieden wir uns für einen Hafen, es sollte Torre del Mar in etwa 20 sm werden.

Um 1800 erreichten wir unseren Zielhafen. Eine Box für uns gab es hier nicht. Schnell wurde uns klar, dass wir nur am Rezeptionsplatz am Kopf eines langen Steges in norddeutscher Manier festmachen konnten. Anschließend begaben wir uns zu dritt mit unseren Personalpapieren und Schiffspapieren zum Hafenmeister, meldeten uns an. Für eine Nacht zu dritt inklusive meiner kleinen 6 jährigen Tochter hatten wir 93 € zu berappen. Viel Geld. Erst später machten wir die Erfahrung, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein sollte…

Angesichts des für Louisa und mich bislang anstrengenden Tages beschränkte ich das Essen auf einen schnellen Klassiker, der noch im Bestand der Qualle vorhanden war und weg musste: Sahnematjes mit Salzkartoffeln. Einfach, schnell, lecker und nahrhaft.

Einen Abendablauf mit Louisa gab es für uns alle noch nicht. Irgendwie auch egal, schließlich hatten wir Urlaub. Drum machte ich Louisa nach dem Essen kojenfertig. Duschen, Zähne putzen, Haare bürsten und Zopf neu flechten. Ganz allein, ohne Mutti – für mich schon eine Herausforderung. Geschlafen haben wir in unserer ersten Nacht in der Honeymoonersuite, also unter Deck. Erschöpft ging das, aber eigentlich viel zu heiß.

Ehe ich in der Koje lag, ließen Berni und ich den sonnigen Abend bei ein paar gepflegten Drinks mit frischen selbst produzierten Eiswürfeln schick ausklingen.

2.Tag – Montag, 22.07.2019 / Torre del Mar – Adra (Spanien)

Unser erster Urlaubstag hatte begonnen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Kein einziges Wölkchen. Wieder sollte das Thermometer im weiteren Verlauf des Tages 28°C anzeigen, der Luftdruck herrschte mit 1019 hpa. Und wieder wehte der Wind mit zwei Windstärken aus West.

Nach einem ausgiebigen Frühstück an Deck setzten wir unseren Weg fort und legten um 1020 ab. Das Endziel sollte irgendwie Malta sein. Für mich schien das fast unerreichbar in der Kürze der Zeit. Dennoch egal, Hauptsache Urlaub, Sonne, Spaß, Baden, Segeln und eine tolle Zeit genießen – vielleicht ein letztes Mal hier an Bord. Berni intervenierte nicht…

Von Torre del Mar gingen wir nun 50 sm nach Adra. Das war schon ein ganz schöner Kanten. Doch wir waren nicht allein unterwegs. Immer mal wieder hatten wir der Küste längs menschliche Entgegenkommer. Ganz besondere Wegbegleiter tanzten bestimmt ganze 20 Minuten um uns herum, vorzugsweise am Steven. Es waren Delfine, eine ganze Familie muss es gewesen sein. Immer wieder tauchten sie dabei auf, sprangen förmlich aus dem Wasser, um dann wieder abzutauchen und sich den besten Platz an unserem Steven zu sichern. Gefangen verharrten Louisa und ich auf dem Vordeck und sahen gespannt zu.

Irgendwann griff dann der Hunger um sich. Gegen den Verfall und gegen Fertiggerichte kämpfend, bereitete ich aus den Altbeständen von Bord und den Kartoffeln des Vortages ein schnelles Mahl: fertiger, unverfeinerter Kartoffelsalat - den hatte sich Berni als er wochenlang vor Anker lag selbst ausgesucht – mit warmen Wienern und einer kleinen Pfanne selbstgemachter Bratkartoffeln. Die Wiener waren fürchterlich labberig.

Erst um 2030 hatten wir die Hafeneinfahrt von Adra backbord querab. Um Liegegeld zu sparen, wollten wir ankern und entschieden uns angesichts der Welle und des Windes aus West für einen Ankerplatz im Schutze der Ostmole, dicht am städtischen Badestrand. Wir waren das einzige Schiff und legten uns dicht an die Badetonnen des Strandes. Der Anker hielt gut, demnach war es wohl ein sandiger Untergrund. Aber auch zu diesem Thema werden wir drei noch so unsere Erfahrungen machen…

Berni schlief mit der Matratze aus der Bierlastkabine schon die ganzen letzten Wochen an Deck. Dessen Bezug war schon lange nicht mehr Dunkelblau als vielmehr ein weißes Himmelsblau. In Erinnerung an unsere letzte Nacht schlossen Louisa und ich uns den Erfahrungen von Berni an und richteten unser Nachtlager ebenfalls an Deck ein. Steuerbordseite an den Backskisten, um im doch vorhandenen Schwell eine waagerechte glatte zugleich verkantete Liegeposition zu haben.

Noch erfasste uns der Schwell von Wind und Welle aus West. Die Qualle geigte mächtig. Berni und ich gingen davon aus, dass dies in der Nacht weniger würde. Abgesehen davon gab es an der Küste keine andere Alternative…

3.Tag – Dienstag, 23.07.2019 / Adra - Cabo da Gata (Spanien)

…und das Rollen wurde auch nachts nicht weniger. Stattdessen dröhnten die Maschinen der auslaufenden Fischer, morgens hörten wir die Müllautos von der Standpromenade. Eine entspannt geruhsame Nacht hinterlässt definitiv einen anderen Eindruck.

Als Louisa und ich durchgeschüttelt unsere kleinen Äuglein öffneten, war das Deck und unser Bettzeug relativ feucht, fast so, als hätten wir leichten Sprühregen gehabt. Doch die Sonne sollte es richten, ehe wir die Bettsachen in die Honeymooner für das Tagesgeschehen verstauten. Alles wieder trocken.

Täglich grüßte schon das Murmeltier. Frühstück an Deck, Aufklaren, Anker hoch und los gings… Unsere Ziele entschieden wir stets unterwegs, in Abhängigkeit der Entwicklungen des Wetters, insbesondere des Windes. Die Sonne, blitzeblauer Himmel bei um die 28°C schienen schon feste Bestandteile des dortigen Wettergeschehens. Aber auch der wieder mit 2 wehende Westwind? Egal. Er wehte daher, der Luftdruck ist leicht von 1019 auf 1015 hpa gefallen.

Unsere heutige Reise sollten uns über 43 sm von Adra nach Cabo da Gata vorbei an landwirtschaftlich genutzten Küstenstreifen führen. Das Groß dieser Flächen befand sich unter riesigen Kunststofffolien. Wahrscheinlich um die Feuchtigkeit der Nacht zu halten und als Beregnung zu nutzen. Auf dem Weg nach Cabo da Gata gab es nur einen kleinen Mittagssnack. So klein, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Der Wind nahm im Laufe des Tages zu. Und mit ihm die Welle. Dennoch baute Louisa ihre Höhlen an Deck, ließ sich fast häuslich nieder, hörte Musik, blätterte in ihren Büchern und spielte auf dem Handy.

An unserem Tagesziel erwarteten uns lange weiße Strände. Wenig Berge und nur flache Bebauung. Der Wind kam mit fast 40°C übers Festland gefegt und brachte die Wärme auf See. Offensichtlich ein absolutes Surferidyll. Halbwind hin und Halbwind zurück. Etliche Bretter peitschten den Strand hoch und runter. Eine Augenweide. Und dann waren da noch die Surfer zu bestaunen, die höher hinaus wollten. Die Foils nämlich. Brett und Surfer bewegen sich auf einer Finne außerhalb des Wassers und können einen herben Speed erreichen. Technik halt…

Gegen 1800 fiel unser analoger, aber doch elektrischer Anker auf nur 5 Meter Wassertiefe. Ein scheinbar idealer Ankerplatz für uns. Dennoch mussten wir zwei Anläufe nehmen, ehe der M-Anker wirklich hielt.

Ehe es zu spät würde und die Sonne am Horizont ins Mittelmeer fiele, gingen wir noch baden. Zu verlockend das Helle Blau des Wassers auf dem schönen Sand des Grundes. Einzig Louisa schaffte es nur bis auf die letzte Stufe der Badeleiter. Voller Elan mit Taucherbrille und Rettungsweste bestückt und dennoch keine Traute, ganz hineinzugehen… mit Geschrei und Geschiebe am Hintern ging es wieder an Deck. Chance vertan!

Als dann alles klar war, ging ich in meine Küche. Frischer Blumenkohl mit Salzkartoffeln und für jeden eine Scheibe Rindfleisch als Minutensteak. Serviert natürlich in der Abendsonne an Deck.

Berni erledigte den Abwasch in der Küche, ich brachte Louisa gestriegelt und geschniegelt in die Koje. Unser Schlaflager schlugen wir Backbordseite auf. Mit dem Kopf an der Beting und die Füße abschüssig zu Schanz. Unsere beiden Matratzen passten genau. So konnten wir nicht wie in der vergangenen Nacht hin- und hergeschüttelt werden. Alles versprach eine geruhsame Nacht zu werden. Insbesondere die Sundowner mit Eis aus der Solarzelle als Landstromersatz…

4.Tag – Mittwoch, 24.07.2019 / Cabo da Gata - Garrucca

…noch nicht aufgestanden, weder Louisa noch ich, klöterte die Ankerwinde morgens um 0730. Berni versprühte Elan, holte den Anker hoch. Jedoch weder Kaffee am Bettchen noch lief die Maschine. Wie ein blutiger Anfänger halt. Macht ja nix, es ging trotzdem los.

Erst einmal mit Maschine. Der Wind war noch dünne. Erst etwas später legte er bei 29°C auf 4 Bft. aus NE zu. Der Luftdruck passte dazu, fiel er von 1015 hpa des Vortages auf 1010 hpa. Wir nutzten also die ruhige Zeit an Deck, um wieder einmal gepflegt zu frühstücken. Alles gut bewährte Abläufe…und alle waren die nächsten Stunden versorgt, glücklich und satt.

Nach zwei Nächten Ankern signalisierte ich Berni, dass es gut wäre, wenn wir in naher Zukunft wieder Lebensmittel einkaufen könnten, ehe wir alle verhungern würden. Auch das Tonicwater war knapp, Gin hingegen hatten wir noch zur Genüge… Aus dieser tiefsitzenden Angst heraus orientierten wir unser Ziel des Tages in Garrucca in 41 sm Entfernung.

Nach einem Mittagssnack in Form eines leckeren Salates liefen wir gegen 1600, für unsere Verhältnisse richtig früh, im Zielhafen ein. Der Hafenmeister wies uns einen Längsseitsliegeplatz an einem hinteren Schwimmsteg zu. Geduldig legten wir mit unserer Sahneseite auf Steuerbord an, ohne wie einer unser Vorgänger die Versorgungssäule abzureißen und einen Doppelkreuzpoller zu eliminieren. Im Mittelmeer ist es - anders als in Nordeuropa – üblich, sein Schiff an Mooringleinen, die der Hafenmeister vom Steg aufs Heck gibt, vorn festzumachen. Die Achterleinen gehen dann auf den Steg. Doch da hier offensichtlich nicht so viel los war, durften wir auf unsere Art anlegen. Das können wir am besten…

Der Hafen von Garrucca hat alles, was das Seglerherz begehrt. Man findet hier einen Kran, eine Tankstelle und einige gut sortierte Supermärkte dicht aufeinander. Wieder zahlten wir 93 € Liegegeld. Doch das nutzten wir optimal aus und wuschen mit dem Landstrom erste Wäsche, füllten dann unsere Wassertanks.

Natürlich gingen wir auf die Suche nach einem Supermarkt und wurden in einer kleinen Gasse fündig. Ein wenig schmuddelig, aber dennoch eine gute Auswahl. Man hatte das Gefühl, hier wird auch Ware von hier verkauft. An der Frischetheke wollten wir für unseren heutigen Hack-Nudelauflauf das Mischhack besorgen, doch lag keines aus?! Wir sprachen die Metzgerin an und weil wir so nett und geduldig waren, schob sie je ein halbes Kilo Schwein und Rind durch den Wolf. Vor unseren Augen also frisch zubereitet. Nix Schutzgasverpackt. Und auch ohne Fingerkuppen.

Wieder zu wenig Tüten dabei schritten wir mit dem Einkaufswagen zurück an Bord. Prompt alles fachgerecht verstaut und dann sofort mit dem Auflauf begonnen. Ein Rezept gab es nicht, nennen wir es einfach Freischnauze! Der Bräter war fast gänzlich voll. Fläche für den überbackenen Käse halt. Das ist das Leckerste an einem Auflauf, drum wunderte es nicht, dass dieser nach unserem Abendmahl nur noch zur Hälfte gefüllt war.

Die Männer-WG wurde immer perfekter – zwei mehr oder weniger alte Männer mit meinem 6 jährigen Mädel. Erfolg ist planbar. Die Abläufe nach dem Essen fantastisch. Sogar unsere Wäsche war schon wieder trocken und lag schlußendlich zusammengelegt in unseren Kabinen. Fleißig erschöpft konnten wir alle den Abend an Deck genießen, bis uns die kleinen Äuglein zufielen. Der einen eher, den anderen beiden später…

5.Tag – Donnerstag, 25.07.2019 / Garrucca – Cartagena (Spanien)

Heute sollte es 47 sm weiter nach Cartagena gehen. Unser Ausgangshafen für einen mehrtägigen Absprung in Richtung Malle. Nachdem wir den Tag zuvor ja aus der Koje „getrieben“ wurden, ließen wir es geruhsam angehen. Keine Panik, keine Hektik, alles ganz gemütlich. Drum legten wir erst um 1030 ab.

Auch, weil wir in den vergangenen Tagen festgestellt hatten, dass der Wind in den frühen Morgenstunden noch zu schlafen scheint und erst im Laufe des Tages an Kraft gewinnt. Und so sollte es auch an diesem Tage sein. Gestartet waren wir mit guten 2 Windstärken, die sich später zu einer Vier entwickelten. Nur so kommt man voran. Der Luftdruck war zum Zeitpunkt seiner Messung leicht auf 1013 hpa gestiegen, ansonsten wolkenlose 29°C. Alles schicki also.

Auf dem Mittelmeer sucht man tatsächlich vergeblich nach Fahrwasser-, Ansteuerungs- und Untiefentonnen. Es scheint nahezu überall tief genug, um auf derartige Navigationselemente verzichten zu können. Zudem hält sich der Schiffsverkehr in Grenzen, es gibt kaum Begegnungen zu verzeichnen.

In den späten Nachmittagsstunden näherten wir uns dem Seegebiet um Cartagena. Hier wurden uns Schiffsverkehr und diverse Reedegebiete in der Seekarten avisiert. Insofern verkleinerten wir die Garderobe auf Stagsegel und Fock und strakten zur Hafeneinfahrt. Es entstanden aufregende Bilder, sofern man sich die Ankerketten der Ankerlieger wegdenkt oder sie wegretuschiert. Vermeintliche Kollisionen ohne Ende…

Die Hafeneinfahrt erreichten wir ohne Probleme. Im Zuge der Funkanmeldung jedoch wurden wir gebeten, noch zu warten, da uns ein lotsenpflichtiger Kreuzfahrer begegnen würde. Aber erst einmal drin, entpuppte sich hier ein wunderhübsches Städtchen. Mit Längsseitsliegeplatz direkt an der Pier mit Schlendermeile. Nix Mooringleinen. 2000 fest, Maschine aus. Und auch vom Liegegeld her war dies ein entspannendes Hafenfleckchen. So mussten wir nur 50 € berappen.

Schnell ein paar eisgekühlte Drinks an Deck. Ein wenig umhergeschaut. Das Abendbrot fiel angesichts des nahrhaften Nudelauflaufes zum Nachmittagssnack aus. Dann Louisa schnell nachtfein geschniegelt. Unser Nachtlager platzierten wir wieder Backbordseite an der Beting. Louisa genoss den Trouble, schlief erst etwas später ein, währenddessen ich schon in der Küche wirbelte. Königsberger Klopse mit Kapern sollte es in den kommenden zwei Tagen unserer Überfahrt nach Malle geben. Vorkochen. Zum einen konnte das Essen schön durchziehen – gut für den Geschmack – und ich musste unterwegs nicht erst anfangen… Erfolg ist planbar.

Als ich mit allem fertig war und die Küche keinem Schlachtfeld mehr glich, war es bereits dunkel. Keine Lust mehr auf Landgang. Zudem sind Segler ohnehin etwas Fußfaul. Also an Deck gesetzt, die Äuglein geöffnet und geguggt. In der Hand einen schicken, eisgekühlten GT. Naja, und wenn man erst einmal sitzt, dann quatscht man sich auch fest. Mit wem? Natürlich mit Berni. War ja kein anderer da. Louisa schlief schon. Wir hoben uns die Wortkontingente immer für gesellige Abendstunden auf, um ausgiebig zu quatschen. Nur nicht, wenn die Sonne noch hoch am Himmel steht… Ja, und irgendwann waren auch Berni und ich dran, in die Kojen zu verschwinden. Ich neben Louisa und er auf dem Kajütaufbau.

6.Tag – Freitag, 26.07.2019 / Cartagena – auf See

Ausschlafen hatten wir scheinbar nicht gebucht. In dieser Hafenstadt waren Teile der Marine stationiert, die den Morgen mit ihren Chören oder Lautsprechern zum Tag machten. Laute Marschmusik durchdrang den Hafen. So auch uns. Die Nacht war also zu Ende. Aufstehen, Frühstücken, Aufklaren und um 1000 waren wir startklar zum Auslaufen. Maschine an.

Die fünf Marineschiffe waren vor uns ausgelaufen, fuhren in Sichtweite vor uns. Noch im Schutz der Hafenmauern nahmen wir touristenfreundlich alle Segel hoch. Unsere Überfahrt begann.

Schon in den Vormittagsstunden zeigte das Thermometer 28°C bei nur noch 1009 hpa. Der Luftdruck ist also etwas gefallen. Der Wind wehte demnach mit 4-5 Windstärken aus SE. Perfekt für uns. Und so segelten wir vor uns hin… Stunde um Stunde mit stets zwischen 5-6 Knoten. Sehr guter Speed.

Gegen 1515 servierte ich meine Kapernklopse an Deck. Raubtierfütterung. Louisa und Berni schmeckten die Dinger ohne Ende. Da ich sonst die Tage immer ein wenig zu viel zubereitet hatte, sparte ich bei den Kartoffeln als Beilage ein wenig ein. Natürlich nach dem Motto: „In der größten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot.“… wieder falsch… zum Schluss kloppten sich die Beiden um die letzte Kartoffel. Es haben jedoch beide überlebt…

Dann irgendwann näherte sich der Abend. Um 1900 begann ich Louisa kojenfertig zu machen. Duschen, Zähneputzen und Haare pflegen, Zopf neu machen. Das hatte mir meine Tochter hier an Bord erst beigebracht. Spleißen in allen Lebenslagen - vor, zurück, als Auge – völlig egal. Nur einen Zopf konnte ich bislang nicht. Hatte immer Katrin gemacht…

Da wir diese Nacht durchsegeln würden, war das Schlafen an Deck für Louisa definitiv passé. Aber ich brachte sie nicht in unsere Honeymoonersuite mit nebeneinanderliegenden Kojen zum Schlafen, sondern in die Princesssuit, wo unsere Klamotten deponiert waren. Hier waren die beiden Koje übereinander angelegt und jede einzelne schlicht schmaler, weshalb sie hier im Falle von See nicht so hin- und hergeschlagen worden wäre.

Der Abend schritt voran. Nun ging es um die Wacheinteilung. Berni und ich einigten uns schnell darauf, dass die Nacht ab 2300 „offiziell“ zur Aufteilung losging. Dabei ist Berni der Typ, der lieber in die Nacht hinein segelte, die frühen Morgenstunden hingegen waren eher nicht seins. Die nahm ich dann ab 0100. Bis dahin konnte ich eine Mütze Schlaf für die Nachtschicht erhaschen. Vier Stunden später, dann hätte ich Berni wieder zum Wachwechsel wecken können, also um 0500. So hätte ich noch einmal schlafen können, bis Louisa gegen 0800 wieder aufwacht und Beaufsichtigung brauchte… eine halbwegs sinnvolle zugleich gleiche Lastenteilung, sofern man von Last sprechen konnte.

Nachts nahm der Wind ab, wurde dünne. Wir konnten keinen Schiffsverkehr ausmachen. Weder mit dem Auge noch mit AIS. Tonnen oder andere Seezeichen gab es angesichts der Wassertiefe noch immer keine. Insofern galt es also die Segel und den Kurs im Auge zu behalten. Der jeweils andere von uns schlief auf der Matratze auf dem Kajütaufbau, um bei Bedarf schnellstmöglich greifbar zu sein.

7. Tag – Samstag, 27.07.2019 / auf See

Ansonsten war in der relativ dunklen Nacht bis auf ein paar Kühlschrankattacken wirklich nicht viel los. Der Sternenhimmel jedoch umso beeindruckender. Nicht nur in dieser Nacht erstreckte sich über uns ein beeindruckendes Sternenmeer, auch der große Waagen nahm ein jede Nacht seine Pool Position auf Backbordseite ein, begleitete uns die gesamt Nacht.

Ich war gut dabei und ließ den Wachwechsel um 0500 zugunsten von Berni verstreichen. Lass den Alten mal schlafen dachte ich mir… und so hatten wir zum romantischen Sonnenaufgang die Inseln Ibiza Backbord und Steuerbord Formentera dicht voraus.

Endlich hatten wir den erforderlichen Land- und Funkkontakt erreicht, damit ich Louisa neue Filme aus dem Netz aufs Tablet laden konnte, die sie dann unterwegs sukzessive inhalierte. Die Filme, die wir noch in Deutschland runtergeladen hatten, konnte sie mittlerweile schon fast auswendig. Abwechslung war dringend von Nöten.

Aber auch die Wetterberichte für die kommenden Tage sicherten wir uns bei dieser Gelegenheit mit Screenshots auf den Tablets, um nicht auf offener See überrascht zu werden. Die durchgesegelte Nacht schlug dann etwas später doch zu. Müdigkeit machte sich zumindest bei mir breit und ich legte mich ein wenig hin. Einzelfrühstücke sicherten die gute Laune an Deck.

Der Wind drehte im Lauf des Tages bei unserem grundsätzlichen Kurs nach Malle auf SW und wehte mit 4 Windstärken. Der Luftdruck fiel dabei auf nur noch 1004 hpa. Ansonsten änderte sich kaum etwas. Sonne und Temperaturen ohne Ende. Wir segelten und segelten. Etwa gegen 1530 gab es dann das zweite Mal die beliebten Königsberger Klopse. Die Töpfe hinterher blitzeblank. Wie bei einer alten Männer WG tickte die Uhr und um 2015 war Louisa frisch geduscht und kojenfertig. Noch ein paar Geschichten vorgelesen und schon dämmerte sie in den Schlaf der Gerechten. Für uns begann die zweite Nachtschicht…

Wir starteten in die bewährte Wachaufteilung mit Fixpunkt 0100 zudem ich Berni in den Schlaf ablöste.

8.Tag – Sonntag, 28.07.2019 / auf See – Portocolom – Cala sa Nau (Malle – Spanien)

Nach dem Wachwechsel trat später die Naturschutzinsel Cabrera südlich von Mallorca aus der absolut dunklen Nacht in Erscheinung. Ein Leuchtturm an der westlichen Inselspitze signalisierte Zivilisation. Doch diese war in Wirklichkeit noch weit weg.

Über den Inseln war intensives Wetterleuchten zu beobachten. Jedoch wusste ich nicht, ob uns hier ein Gewitter ereilen sollte. Der Wind wehte für nächtliche Verhältnisse ausgesprochen gut, wir kamen gut voran. Diese Fahrt wollte ich mitnehmen und setzte auf späteren Internetempfang, um einen aktuellen Wetterbericht von Mallorca zu erhaschen.

Louisa und Berni schliefen den Schlaf der Gerechten. Das sollte auch so bleiben, denn von einem Gewitter war bei Windfinder etwas später keine Rede. Drum segelte ich unseren Kurs weiter. Die Spuren der Zivilisation wurden heller und größer, während Cabrera klar achteraus wanderte und dessen Leuchtturm schon nicht mehr sichtbar war. Die Küste Mallorcas erhob sich aus der Dunkelheit, wir segelten parallel zu ihr.

Unser in der Karte eingetragenes Ziel sollte Portocolom – etwa mittig der Südostküste Mallorcas – sein. Der perfekte Absprung zur „richtigen“ Überfahrt… egal wohin, Hauptsache Richtung Malta, soweit es halt geht… Portocolom hatten wir zum Wachwechsel um 0500 etwa eine Stunde voraus, ich machte Berni zärtlich wach. Wir waren zu zweit an Deck.

Die absolute Dunkelheit der Nacht verschwand allmählig. Vor uns erhob sich eine steile Küste mit einem weißen Leuchtturm. Dieser markierte die rechte Seite der Einfahrt nach Portocolom, die wir 0600 passierten. 240 Seemeilen geschafft. Nun galt es in der dunklen Morgendämmerung einen für uns geeigneten Ankerplatz zu finden. Die Bucht war sehr voll, das Fahrwasser musste freibleiben, teils lagen vor den Grundstücken Tonnen mit Ankerverbotsschildern, teilweise fehlte unsere Wassertiefe von mindestens 3m. Wir versuchten es gleich an der Hafengrenze und lagen beim zweiten Versuch fest.

Berni vertraute dem Frieden nicht und blieb noch einen Augenblick an Deck sitzen, während ich mich in unserer Honeymoonersuite zum Schlafen legte, ehe Louisa wach werden würde. Sie schnarchte in der Prinzesssuite und wurde irgendwann später natürlich wach, verhielt sich aber wirklich leise an Bord, nutzte das Tablet zum Spielen und Filmeschauen. Zwischendurch durchforstete sie die Speisekammer und den Kühlschrank nach geeigneten Frühstückssnacks. Was für eine Rabenmänner-WG…

Um 0930 verholten wir mit dem Ziel, einen besseren Liegeplatz zu ergattern, an die Tankstelle und bunkerten eine kleine Menge Diesel. Vielleicht zu wenig, denn weder einen Liegeplatz noch Wasser hatten sie in diesem Stadthafen für uns. Zu schwer für eine Mooring seien wir, zudem war die Bucht voll. Wieder verholten wir an unsere bisherige Ankerstelle an der Hafengrenze. Um Lebensmittel und Tonicwater – das war immer mal wieder Mangelware an Bord – zu bunkern, ließen wir das Beiboot von der Davids ins Wasser und suchten einen Supermarkt. Für fußfaule Seeleute wie wir inklusive Louisa fanden wir einen Spar in unmittelbarer Nähe zum Hafen. Auf einen Sonntag gerammelt voll, der musste also gut sein…

Mit vollen Tüten ging es zurück an Bord. Auspacken, Kind versorgen und wieder schlafen legen, so unsere Devise. Die Sonne brutzelte vom Himmel, zumindest ich verschwand unter Deck in die Koje… bis, ja bis Berni gegen 1530 mich schreiend an Deck orderte. Völlig schlafbenommen und orientierungslos kam ich oben an. Nanu, wo waren wir? Irgendwie sahen die Perspektiven zum Land und zu den anderen Ankerliegern ganz anders aus…

Der Anker hatte nicht gehalten weshalb der Hafenmeister Berni an Deck schlafend ebenfalls durch hektisches Brüllen von seinem Boot aus weckte. Trotz Schutz vor Wind und Welle in der Bucht waren wir über das Fahrwasser in das gegenüberliegende Ankerfeld getrieben. Mit Beiboot hinten dran. Die Kollision mit einem anderen Ankerlieger schien unausweichlich. Maschine an. Anker hoch, weg. Einmal mit Profis arbeiten – nix passiert.

Wir suchten einen neuen Ankerplatz in der Bucht, ließen unsere Blicke schweifen. Die Lage aussichtslos. Wir entschlossen uns, Portocolom am Nachmittag zu verlassen und eine andere kleine Bucht zum Ankern zu suchen. Doch mussten wir merken, dass auf dieser Ferieninsel Liegeplätze und Ankerplätze Mangelware sind. Nicht zuletzt mangels Steganlagen aber auch angesichts des felsigen Ankergrundes. Insofern waren die Ankergründe bestens nachgefragt. Erst drei Seemeilen in Richtung Süden in der Bucht von Cala sa Nau sahen wir eine Chance für uns. Doch das sandige Ankerfeld war bereits voll belegt, wir versuchten uns am Übergang zum Felsengrund und arbeiteten mehrere Stunden, während die Eiswürfelmaschine fleißig kalbte. Doch die Belohnung musste noch warten, da das Beiboot unbedingt wieder hoch musste. Der Schwell vom Mittelmeer aber auch die Enge in der Bucht waren mit Beiboot im Wasser zu riskant. Zudem wollten wir morgen auch weiter in Richtung Malta, also nicht lange warten, machen. Und so ging ich am Ruder runter ins Beiboot, um die Gurte unter den Rumpf zu legen und es dann mit den Flaschenzügen aufzuholen. Doch das war gar nicht so einfach mit dem Schwell. Es bedurfte mehrere Anläufe, um sich nicht die Finger einzuquetschen oder eine Eskimorolle hinzulegen. Schlussendlich Ende gut, Alles gut.

Dann belohnten wir uns mit einigen eigekühlten Drinks an Deck in der Abendsonne, während Louisa die Zeit nutzte, im Klüvernetz umherzustiefeln. Eine tolle Erfahrung für sie. Ja und dann waren wir alle wieder ganz unerwartet und plötzlich hungrig, weshalb ich mich in meine Küche verpfiff. Schnell zauberte ich uns einen deutschen Klassiker: mit Liebe gebratenes Schweinefilet an Salzkartoffeln und frischem Champizucchinigemüse.

Schnell noch ein wenig Backschaft, Louisa kojenfertig gemacht, die Bettenburg an Deck aufgestellt und fertig war die Abendgebetshalle unter musikalischer Begleitung tausender Heerscharen Heuschrecken… wovon wir eine als Blinden Passagier mitnahmen wie wir später bemerkten.

9.Tag – Montag, 29.07.2019 / Cala sa Nau (Spanien) – auf See

Ein neuer Sommertag startete in der romantischen Bucht von Cala sa Nau. Der Anker hatte auch über die Nacht gehalten. Dennoch ließen Berni und ich Nachts immer mal wieder einen Blick streifen, ob noch alles im Lot ist. Parallel wachte ein GPS Ankeralarm… Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Da wir die kommenden Tage wieder ausschließlich auf See verbringen würden, entschieden wir uns für ein gemütliches Frühstück an Deck. Gesagt, getan. Nach dem Aufklaren und Seefestmachen holten wir den Anker hoch. Wir versuchten es zumindest. Doch es gelang uns nicht. Nicht auf Anhieb. Es half auch nicht, sich zärtlich rüber treibenzulassen. Dann stand sie einfach fest die Kette. Glücklicherweise hatten wir eine elektrische Ankerwinde an Bord. Doch deren 100 Amperesicherung haben wir bei dieser Aktion zerschossen. Und was machten wir nun? Aufgeben, Kette abschlagen? Nein. Wir machte weiter. Einfach weiter. Der stetige Tropfen höhlt den Stein. Mit Maschine und fester Kette hin und her, mal nach links, mal nach rechts. Nach einigen Anläufen, die später immer energischer ausfielen, spürten wir den befreienden Ruck im Geschirr. In diesem Augenblick befanden wir uns dicht an einer Felswand, weshalb wir uns nun zuerst um den Felsen kümmerten und zusahen, freies Wasser zu erreichen. Raus aus der Bucht, schnell raus.

Erst außerhalb der Bucht wechselten wir die defekte Sicherung. Als Ersatz verfügten wir nur über eine mit 130 Ampere etwas höher abgesicherte Sicherung. Aber mit der Hand hätten wir die über 20 Meter A4 Edelstahlkette und den 15 Kilogrammanker in keinem Falle an Deck bekommen.

Erleichtert setzten wir bei 4 Windstärken aus SSW Vollzeug und nahmen Kurs auf. Die Temperaturen und der Luftdruck waren ein wenig gefallen. Später ließ auch der Wind etwas nach, wehte nur noch mit 3 Bft. Perfekt, um das Monster anzuschlagen und auch zu setzen. Wir brauchten Speed, um reelle Chancen auf Malta zu haben.

Zu unserer reflexartigen Sommermittagszeit richtete ich die noch aus Altbeständen stammenden Fertigbouletten mit frischem Salat an. Furchtbar, diese Fertigbouletten. Aber in der Not futtern die Teufel an Deck auch Fliegen oder Fertigbouletten. Im Ergebnis waren alle Besatzungsmitglieder satt, auch meinereiner.

Zwischendurch schliefen wir viel, laberten dummes Zeug. Louisa bespielte sich selbst, nutzte das Tablet, schaute Filmchen oder spielte irgendwelche Appspiele. Zum Abend hin servierte ich auf Wunsch von Berni auch mal einen Kaffee mit Fertigkuchen, den er sich selbst ausgesucht hatte. Der Kuchen war durchaus besser, als die Fertigbouletten.

Nachdem Louisa kojenfertig war, wieder in der Prinzesssuite versteht sich, nahmen wir zur Nacht und sicherheitshalber das Monster wieder runter. Mit der Wacheinteilung der letzten Überfahrt kamen Berni und ich gut zurecht. Insofern wollten wir diese in den kommenden Seenächten erneut praktizieren. So konnte ich mich gegen 2200 bis 0100 an Deck und in Montur schlafenlegen und löste Berni dann bis in die frühen Morgenstunden gegen 0600 ab. Und täglich grüßt das Murmeltier…

10.Tag – Dienstag, 30.07.2019 / auf See

Irgendwo auf dem Mittelmeer zwischen Malle und Sardinien sehnte ich meiner Wachablösung entgegen. Die segeltechnisch relativ ruhige erste Nacht war dafür recht dunkel, ging doch der Mond erst gegen 0500 auf, erhellte die endende Nacht. Unmittelbar darauf erlebte ich als Entschädigung einen schicken Sonnenaufgang. Eine komische Zeitkonstellation.

Der Wind hatte zum Vortag von SSW auf NNW gedreht und nahm nun im Laufe des Tages auch wieder von 2 auf 4 Windstärken zu. Die Qualle lief unter Vollzeug gewohnte 5-6 Knoten. Gute Fahrt. Nun waren wir schon wieder eine ganze Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt. Lediglich ein Satellitentelefon hätte uns retten können. Und das hatte Nachts seinen festen Platz beim Rudergänger.

Nach den ersten Tagen meiner Schlemmerreise war Berni nun scheinbar dauersatt. Er bat um kleinere Snacks und Mahlzeiten. So lag da noch im Kühlschrank eine letzte Sünde als Fertigprodukt. Eine Quiche. Schnell ab in den Gasbackofen und fertig war der Mittagssnack am frühen Nachmittag. Und das, wo wir doch nix anderes zu tun hatten, außer zu segeln. Drum segelten wir Stunde um Stunde.

Und schon war es wieder Abend, die hungrigen Mäuler ganz nervös. Die Männer WG mit dem kleinen Mädchen ganz allein auf dem Mittelmeer funktionierte perfekt, ich stand in meiner Küche. Hier zauberte ich Hähnchenschnitzel Cordon bleu an Salzkartoffeln und frischen Petersilienmöhrchen. Oh, wie das mundete…

Ja, und dann setzte sich die Abendroutine erfolgreich wieder durch. Louisa in der Koje eingeschläfert, setzten wir gegen 2030 das große Monstersegel. Der Wind hatte zwischenzeitlich ein klein wenig nachgelassen, den Speed mussten wir unbedingt kompensieren. Die erste Schicht bis 0100 war ja Berni am Ruder, der wusste schon wie mit diesem Gennaker zu segeln ist. Bis dahin nutzte ich nach einem kleinen Schlummertrunk die Zeit zum Schlafen.

11.Tag – Mittwoch, 31.07.2019 / auf See

Als ich dann um 0100 ans Ruder ging, wehte der Wind anstatt aus NNW eher aus Nord mit guten 2 Windstärken, er kam bei unserem Speed von guten 5 Knoten deshalb scheinbar spitzer, als noch am Abend. Eine anspruchsvolle Aufgabe, hatte ich mit dem Gennaker bislang kaum Berührungspunkte. In einem kurzen Chrashkurs signalisierte Berni mir, dass er wie ein normales Segel reagiert und deshalb auch mein Abfallen und Anluven vorprogrammiert wäre. Hemmungslos nahm ich die Fernbedienung der Eiserenen Hand an mich. Die Qualle lief wie auf Schienen. Ich musste kaum eingreifen, nur guggen.

Dann aber geschah es mir doch. Auf der Gier nach Höhe war ich zu hoch rangegangen, der Gennaker schlug und das mächtig gewaltig. Mehr als 20° musste ich abfallen, um ihn wieder einzufangen und dann wieder höchstmöglich anzuluven. Berni ließ sich hiervon schlicht nicht beeindrucken, ratzte weiter. Die Nacht war wieder einmal sehr dunkel, dafür das Sternenmeer umso schöner. Der große Wagen wieder flach an Backbordseite. Und die Sternschnuppen prasselten vom Himmel. Doch die Segel fuhren wir nach Gefühl und Taschenlampenlichtkegel. Und so verwunderte es nicht, dass ich auch ein zweites Mal den Gennaker einfangen musste. Wieder schlief der Alte weiter.

Sonst war auf dem Mittelmeer kaum Schiffsverkehr unterwegs, jedenfalls in unserer Nähe. Auch fehlten beleuchtete Tonnen oder gar Leuchttürme. Und plötzlich erschienen mehrere Schiffe an Backbord und an Steuerbord. Wir waren südlicher und nicht weit weg von Sardinien, das jedoch noch nicht zu sehen war. Wer weiß, hier gab es bestimmt große Handelshäfen und wir kreuzten gerade den Nord-Süd-Verkehrsweg. Erschwerend kam jedoch hinzu, dass sich diese Frachter nicht an das Rechtsfahrgebot hielten und wir kreuzten relativ mittig deren Weg…. Egal, Kurshaltepflicht. Wir fahren Großseglerlaternen und segeln, weshalb die Maschinenfahrzeuge ausweichen müssen… Es war gegen 0400.

Und plötzlich rumste es so, als sei eine große Welle am Betonrumpf zerschellt. Jedoch wurde ich schnell auf den Boden der Realität runtergeholt, als ich meinen Blick nach Steuerbord richtete. Dort erstreckte sich der riesige weiße Gennaker an der Wasseroberfläche und reflektierte das Licht der grünen Steuerbordlaterne im Dunkel der Nacht. Schockstarre. Der Mast stand noch, also kann nur das Fall gerissen sein. Alles gut. Dennoch rief ich Berni am Ruder stehend aus dem Schlaf.

Deckslicht an. Taghell die Nacht. Die kreuzenden Frachter mussten sehen, dass wir ein gravierendes Problem hatten. Die Kurshaltepflicht war dahin. Gemeinsam begannen wir, das Segel zu bergen. Immer noch hatten wir gute Fahrt im Schiff, was unsere Bemühungen mehrfach scheitern ließ. Zu groß, zu schwer, mit Wasser im Segel sowieso und die Fahrt im Schiff riss das Segel wieder und wieder ins Meer. Unsere Angst galt dem sich im Strom drehenden Propeller. Eine dort ankommende Leine würde erbarmungslos aufgerollt werden und wir hätten das Problem, die Maschine zum Anlegen nicht nutzen zu können. Wir gaben nicht auf, Berni fiel ab und es gelang uns in einer konstatierten Hauruckaktion ohne Rücksicht auf Stoff und Schäden das Segel zu bergen, an Deck zu holen.

Wir verstauten das Segel mit Bergeschlauch und Co. im Segelsack an Deck, damit nichts wegkam. Die Nacht war irgendwie vorbei. Doch aus Verstandsgründen legte sich Berni wieder hin. Es musste ja weitergehen. Und schwuppdiwupp segelte ich wieder allein in den Sonnenaufgang. Die Frachter waren vorbeigezogen, wir leben noch.

Gegen 0600 kündigte sich der Sonnenaufgang am Horizont an, Sardinien erhob sich aus dem Sonnenmeer, etwa gegen 0700 hatten wir die Südküste Sardiniens querab. Bis dahin segelten wir die ganze Zeit mit dem kleinen Klüver. Um den Ausfall der Nacht zu kompensieren, nahmen wir diesen nun runter und setzten den großen Klüver. Nur für kurze Zeit hatten wir wieder Kontakt in die Zivilisation. UMTS und Funk. Wir nutzten natürlich die Gelegenheit, Wetterberichte und Kinderfilme zu bevorraten und dabei zu aktualisieren.

Sardinien nur ein Durchgang, kein Stopp, kein Halt. Wir segelten weiter, wobei der Wind irgendwann auf SW drehte und dabei auf nur 2 Windstärken abnahm. Um 1500 zauberte ich aus den Resten des Abendbrotes vom Vortag eine Kartoffelbratpfanne mit einigem Allerlei drin. Erst um 1845 punktete ich mit der Hauptspeise des Tages: Spaghetti an Thunfischsahnesoße mit Kapern. Einfach und dafür extrem lecker, wie mir meine Mitsegler bestätigten.

Im Verlauf des Abends drehte unser Wind dann zur Abwechslung mal auf ESE, währenddessen wir die Routine unseres Bordlebens abspulten. Jeder hatte seinen Job. Und so gingen wir erfolgreich in unsere dritte Nacht hinein. Was wird uns wohl in dieser Nacht widerfahren? Nix. Berni und ich genossen ruhige Wachen, begleitet von unzähligen Sternschnuppen und natürlich dem Großen Wagen an Backbordseite. Alles wie immer.

12.Tag – Donnerstag, 01.08.2019 / auf See - Mazzara del Valle (Sizilien)

In meiner Wache ab 0100 durchquerten wir tunesisches Hoheitsgebiet. Hier waren durchaus Schiffsbewegungen zumindest auf dem AIS zu verzeichnen. Aber offensichtlich waren die Fahrzeuge so klein, dass sie nur selten auch auf dem dunklen Wasser auszumachen waren. Nur nicht ablenken, manipulieren lassen.

Irgendwann nach dem eigentlichen Wachwechsel um 0500 – es war schon wieder hell – holte ich Berni aus der Koje an Deck, um mich selbst noch einmal hinzulegen. Um 1000 gönnten wir uns ein festliches Frühstück mit gekochten Eiern. Um nicht in der prallen Sonne zu sitzen, sogar unter Deck im Salon.

Das Frühstück schien nicht lange anzuhalten, kredenzte ich bereits um 1430 einen frischen Blattsalat mit selbst gemachten Dressing. Salat ist eben nicht gleich Salat. Auch dieser kann gehaltvoll sein. Zwischendurch als der Wind ganz weg war und die Maschine mitschob, auch um Strom zu generieren, gab es endlich wieder die schicken Eiswürfel aus der kalbenden Eismaschine. Leider ohne GT sondern nur mit echt leckerem spanischen O-Saft. Kann man auch mal trinken, hat was.

Was soll man sonst den ganzen langen Tag eigentlich an Bord machen? Das war hier die große Frage. Jedoch brauchte ich das Rad nicht neu zu erfinden. Ich kochte. Süßsaure Eier mit Speck und Gürkchen, dazu Kartoffeln. Allerdings auch gleich wieder für zwei Mahlzeiten. Ein voller Erfolg, ich kenne halt meine Leckermäulchen. Und so ging auch diese Speise weg wie warme Semmeln.

Backschaft und Louisa verliefen nach Plan. Jedoch wichen wir heute mal vom Plan dahingehend ab, als dass wir die Nacht nicht durchsegeln würden. Drum blieben Berni und ich wach, um das Erreichen Siziliens gemeinsam erleben zu können. Auch Louisa ließ ich wach, damit sie einmal das Feeling bekam, Nachts durch die Dunkelheit zu segeln, die Sterne und Sternschnuppen zu sehen. Wir waren kurz vor dem Ziel, die Lage an Deck und an Bord sicher.

Schon lange hatten wir die italienische Insel in Sicht, unser Ziel sollte Mazzara del Valle sein. Als wir jedoch „unter Land“ waren, blieb der Wind gänzlich aus. Die eine Maschine schob die Qualle, die andere produzierte das Eis für ein paar leckere Zieleinlauf GT’s des Abends. Wir wähnten uns in Sicherheit, es bald geschafft zu haben.

Die See stank nach Land… ein ekelhafter Geruch machte sich breit, je dichter wir unserem Zielhafen kamen. Um 2330 liefen wir in den stinkenden Hafen ein. Scheinbar feierten sie hier mitten in der Woche in der Nacht von Donnerstag auf den Freitag eine Art Hafenfest. Der Hafen demnach absolut voll, zugleich auch dunkel und somit schlecht einsehbar. Jedoch gab es auf der Westseite des Hafens zwei Hafenbecken gänzlich leer. Das eine sah nach Fischern aus, in dem anderen lag eine große Segelyacht - größer als wir - in der hintersten Ecke. Wir wollten vor dem Segler festmachen, doch da funkte uns schon der Hafenkapitän an.

Nach 461 Seemeilen und drei durchsegelten Nächten könnten wir in diesem Hafen nicht bleiben, es sei kein Platz für uns und einen Ausweichhafen mit entsprechender Wassertiefe konnte uns der Hafenkapitän auch nicht benennen. So sieht also italienische Gastfreundschaft aus? Wir senden AIS, demnach muss dem Hafenkapitän klargewesen sein, dass wir eine mehrtägige Seereise hinter uns hatten. Dennoch verwies er uns des Hafens.

Unser Problem: in der nächsten Nähe gab zwar diverse Häfen, jedoch keiner mit erforderlicher Wassertiefe für uns. Wir machten Decksbeleuchtung an und lagen mitten im Hafenbecken. Schon funkte uns der Hafenkapitän erneut an, wir können so nicht liegen bleiben, würden die Sicherheit gefährden. Er forderte uns auf, den stinkenden Hafen sofort zu verlassen. Seemannschaft und Gastfreundschaft kennen wir anders.

13.Tag – Freitag, 02.08.2019 / Mazzara del Valle – Sciacca (Italien - Sizilien)

Um 0015 verlassen wir den Hafen, laufen aus. Berni steckte den Kurs zum nächsten Versuch ab. Es sollte Sciacca, 26 Seemeilen südöstlich an der Küste Siziliens, sein. Mal sehen, was man dort mit uns veranstalten würde.

Ich hatte ja sowieso gleich Wache, drum blieb ich am Ruder. Berni hingegen legte sich dann doch etwas erschöpft hin. Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude, aber hätten wir das gewusst, hätten wir vielleicht auf mindestens einen GT verzichtet. Jeder. Aber egal, wir schaffen das. Das haben wir immer. Und die Qualle hat uns dabei noch nie im Stich gelassen.

Nicht lange sappeln, sondern einfach machen, holte ich Berni nach weiteren 26 sm gegen 0500 aus seinem Schlaf der Gerechten. Wir waren nun kurz vor Sciacca, unserem Zielhafen. Das Anlegen sollte Berni lieber selbst erledigen. Aber erst einmal Lagecheck bei Morgendämmerung im Hafen. Römisch-Katholische Experimente und Aufsehen wollten wir uns um jeden Preis ersparen. Dennoch riefen wir die Port Control, um nach einen Liegeplatz für uns zu fragen. Niemand antwortete uns.

Da stach uns ein Schwimmsteg ins Auge, deren uns zugewandte Seite auf unserer ganzen Schiffslänge frei war. Wir kamen, sahen und siegten. Festmachen an unserer Schokoladenseite, an Steuerbord. Routiniert ließen wir uns zärtlich auf den Schwimmsteg sacken. Fest, Maschine aus, Elektrospring, Gin Tonic, Äuglein zu. Gute Nacht Jim Bob!

Etwa 6 Stunden ließ uns der Hafenmeister in der Sonne schlafen. Louisa war an diesem Morgen Selbstversorger. Aber ein guter und leiser. Zum einen bat uns der Hafenmeister in die Römisch-Katholische-Mooringlage und zum anderen informierte er uns über die Höhe unseres Liegegeldes: satte 120 € für eine heterosexuelle Alt-Männer-WG mit kleinem Vorschulkind für nur eine Nacht. So schnell kann Mann nicht stricken und das Kind nicht arbeiten, um das Geld zu verdienen…?! Wir richteten uns deshalb auf einen Hafentag ein, um das teure Liegegeld „abzuwohnen“.

Drum bunkerten wir wieder ein paar Liter Diesel nach, um mit unserem Energieträger auf keinen Fall ins Hintertreffen zu geraten. Im Zuge des Verholens von der Tankstelle an den Schwimmsteg versuchten wir das andere Anlegen. Der Hafenmeister half. In der Theorie war auch alles klar. Nur fehlte uns mit den langen Mooringleinen die Routine, sie so schnell als möglich nach vorn zu bekommen und die Qualle daran auch nach vorn zu holen, um nicht mit dem Heck auf den Steg zu sacken. Und so bekam unser Propeller doch eine Sorgleine zu fassen, wickelte sie auf. Nur das Auskuppeln verhinderte das Reißen der Leine. Wir waren fest im wahrsten Sinne des Wortes…. Und nun? Der Hafenmeister holte ein kleines Motorboot und wollte klarieren. Doch das erschien Berni und mir nicht so zielführen, weshalb ich mich in meine schicke Bademode warf, Brille anlegte und selbst runter ging. Nicht lange sappeln, Finger zieh‘n und einfach machen. Der Propeller liegt ja nicht sehr tief, dennoch stellte das salzige Wasser des Mittelmeers so viel Auftrieb entgegen, dass das Tauchen in der Tat anstrengend war. Schlussendlich mit ein wenig Geduld, einem scharfen Messer und einigem an Probieren waren wir nach etwa 20 Minuten wieder frei, die Sorgleine zudem repariert.

Schnell musste ein frischer Nachmittagsbelohnung-Gin-Tonic mit frisch gekalbtem Eis aus der Eismaschine her. Mit Landstrom funktioniert diese noch viel besser als nur mit 12Volt. Alle waren wir glücklich, unsere Reise konnte ungehemmt weitergehen.

Das teure Liegegeld kosteten wir gnadenlos auf. Wir wuschen Wäsche und füllten unsere Frischwassertanks auf. Am späten Nachmittag setzten wir drei auch mal einen Fuß an Land. Sagen wir etwa 500 Meter in eine Richtung und wieder zurück. Aber nur weil wir auch Lebensmittel, Schweppes und Bier brauchten. Il Centesimo hat eine tolle Auswahl, alles was das Herz eines Smut begehrt. Die Kassiererin erlaubte uns sogar, mit dem Wagen mit Berg ans Schiff zu bollern, um hier entspannt und ohne etliches Ein- und Ausladen zu verstauen.

In dieser guten Laune und Leichtigkeit an Bord brauchte ich unser Abendessen des Tages nur aufwärmen: Eier Süß/Sauer mit Gewürzgürkchen und Speckwürfeln an Salzkartoffeln. Einfach, schnell und lecker. Wieder einmal stellte sich schnell gefräßige Stille an unserem Tisch an Deck ein.

14.Tag – Samstag, 03.08.2019 / Sciacca – Licata (Italien - Sizilien)

Unser Generalkurs sollte uns bei diesem sonnigen Wetter schon sehr früh und dennoch ausgeschlafen weiter südöstlich längst der Küste von Sizilien bringen. Schon um 0750 legten wir in der Morgensonne ab. Dieses andere An- und Ablegen mussten wir scheinbar noch üben. Wieder geschah uns ein, aber nur ganz kleines, Malheur. Die Mooringleine Steuerbord blieb beim Zuwasserlassen dieser an einem Belegnagel in der Schanz hängen, hieran war ein Fender außenbords belegt. Endlich frei, heißt es stets Fahrt aufzunehmen. Erst zu spät sahen wir die sich spannende Mooringleine am Kopf des Nagels, es rumste, weg war er. Und mit ihm auch der große Fender. Doch den wollten wir nicht dort lassen, bargen ihn mit dem Peekhaken. Das ist Seenotrettung!

Der Wind frischte im Laufe des Tages auf gute 4 Bft. aus W auf. Die Temperaturen gleichbleibend bei 25° C, der Luftdruck hingegen war von 1013 auf 1008 hpa gefallen. Das war wieder unser Wind. Hoch das Zeug. Alles.

Unterwegs zauberte ich nach einem satten Frühstück am frühen Nachmittag einen leckeren, zugleich gehaltvollen Tomatensalat mit Thunfisch, Kapern und Feta. Wir hatten ja den ganzen Tag Zeit und eigentlich nicht wirklich etwas zu tun. Da wir das Monsterfall nicht geschafft hatten, zu reparieren, konnten wir es auch nicht hochziehen. Die klassische Garderobe der Qualle brachte uns mit im Schnitt über 5 Knoten voran.

So erreichten wir nach 51 sm die Hafeneinfahrt von Licata. Wir wollten, um Liegegeld zu sparen, wieder ankern. Die Solarzellen hatten den ganzen Tag geladen, unsere Batterien somit voll. Also entschieden wir uns, im Schutze der Molen auf der Ostseite des Hafens den Anker auszubringen. Nach nur zwei Versuchen waren wir um 1700 fest.

Wir genossen die Abendsonne, für eisgekühlte Drinks an Deck. Dabei kochte ich ein schnelles und einfaches Essen für uns drei Gourmets: Spaghetti an Gorgonzolasoße mit frischen Frühlingszwiebeln. Herrlich…

Und dann war da aber noch ein unangenehmes Problem für Louisa und mich. Wann schaffen wir von wo rechtzeitig zur Einschulung am 10.08.2019 den Absprung zurück nach Berlin? Flüge mussten her. Aber von wo? Da wir noch keinen zeitlichen Druck hatten, suchte ich nach einem gesunden Kompromiss zwischen Praktikabilität, Zeit und Geld. Schnell war klar, unser Abflug geht von Malta. Kein anderer Ort in der Nähe bot Direktflüge nach Berlin. Mit kleinem Kind steige ich nicht um, um mich dabei noch um mein Gepäck kümmern zu müssen. In einem Land, dessen Sprache ich nicht beherrsche…

Also schnell die Flüge mit dem besten Preis am 07.08.2019 gebucht. Ich als Windowsrechnerfetischist und Sicherheitsfanatiker lehne es grundsätzlich ab, an Smartphone und Tablet zu buchen. Nun musste ich. Und was passierte? Der Buchungsvorgang ließ sich nicht abschließen, ich befolgte die mir zugesandten Mails und zahlte dabei die Flüge doppelt. Alles im Nachhinein geklärt. Rückerstattung, kein Problem. Aber die Aufregung in diesem Moment, mein kleines Herz völlig überfordert.

Die Momente meiner gewissen Unsicherheit kompensierte ich zusammen mit Berni nach Sonnenuntergang mit GT bei Nacht an Deck. Daraus entwickelten sich wieder einmal gehaltvolle Gespräche über Gott und die Welt. Was machten wir eigentlich am Tage? Da kamen solch Gespräche schlicht nicht zustande… Irgendwann, Louisa schlief schon lange in unserer Kojenhochburg an Deck, gingen auch bei uns die Lichter aus. Gute Nacht Jim Bob!

15.Tag – Sonntag, 04.08.2019 / Licata (Italien) – Comino (östliche Bucht im Norden von Kemmuna - Malta)

Das Ende unserer großen Reise kam nun auch in großen Schritten immer näher. Bislang hatten weder Louisa, noch Berni oder gar ich einen Gedanken dran verschwendet. Doch starteten wir genau mit diesem Bewusstsein in unseren allerletzten gemeinsamen Segeltag. Das Wetter hierzu nahezu perfekt. Über die gleichbleibenden Temperaturen brauchen wir keine Worte verschwenden. Auch nicht über den ganztägigen Sonnenschein. Der Luftdruck bewegte sich, zuletzt stieg er auf 1011 hpa, weshalb zwischen 1 und 3 Windstärken aus West auf den letzten 67 Segelmeilen alles dabei war.

Den Anker und unsere Stammgarderobe nahmen wir um 0800 hoch. Ruhiges Frühstück an Deck bei nur bescheidenen Morgenwinden. Erst etwas später legte er spürbar zu, brachte uns unserem Ziel entscheidend näher, ehe er am Abend wieder abnahm.

Erst Zwischen Sizilien und Malta schien es im Mittelmeer verhältnismäßig dichten Schiffsverkehr zu geben. Wir waren nicht mehr allein und damit waren keine Flüchtlingsboote gemeint.

Am frühen Nachmittag war der Mittagssnack schnell hergerichtet. Zitronensahneschnittchen aus der Vakuumverpackung mit frischem Kaffee. Abends hingegen kochte unser Berni höchstpersönlich. Nein, kein Wasser. Das kann jeder. Aber dafür Eier. Das kann auch jeder. Jedoch handelte es sich um ein sattes Rührei mit Scampis, Knoblauch und Zwiebeln in rauen Mengen. Auch sehr schmackhaft. Gut, dass wir allein an Bord waren… unser Gestank vermutlich unerträglich.

Schon von Weitem waren die Inseln Maltas zu sehen, erhoben sie sich in der Abendsonne aus dem ruhigen Mittelmeer. Die letzte halbe Stunde, bevor wir unsere Ankerbucht mit dem letzten Tageslicht erreichten, spendierte uns die Insel ein phänomenales Höhenfeuerwerk, dessen Böller auch wirklich in die Magengrube gingen. Auch nach dem Ankern ging es weiter. Bis 2200. Ungewohnt, ein solch großes Event auf einen Sonntagabend zu legen. Doch es sollte nicht das letzte Feuerwerk gewesen sein, wie wir in den folgenden Tagen beobachten durften.

Wir genossen die Lichter der gegenüberliegenden Insel. Eine schicke Kulisse.

16.Tag – Montag, 05.08.2019 / Comino – Valetta Hauptstadt von Malta

Ja auch an diesem Tag ging die Sonne auf. Wir ließen es langsam angehen, hatten wir überschaubare 16 Seemeilen mit Maschine vor uns. Denn Wind gab es angesichts des nahezu unveränderten Luftdruckes keinen.

Doch bevor wir den Anker ein letztes Mal hochholen würden, gingen wir von Bord baden. Die Badeleiter über die Schanz gehangen und am Nagel belegt ging es los. Louisa zierte sich ein wenig und schaffte es nur mit den Füssen ins Wasser. Sie wagte es nicht, sich fallen zu lassen. Aus Angst nicht wieder hoch zu kommen. Schade. Doch in der Tat ist eine Strickleiter nicht die einfachste Variante aufs Thema. Und vielleicht war es auch gut so, denn ich hatte eine Berührung, die sich im Nachgang etwas schmerzhaft gestaltete. Quallen.

Die Welt ist ein Dorf, erfuhren wir auch am anderen Ende Europas, klingelte plötzlich Bernis Telefon. Im Ergebnis nahmen wir in unserer Ankerbucht zwei Mädels aus ihrem Hotel auf, die Berni kannten und mit nach Valetta wollten. Also vollendeten wir unsere Reise zu fünft. Sie wagten es nicht, sich über unsere Knoblauchfahnen zu beschweren.

1130 Anker rauf und 1330 nach einer gediegenen Hafenrundfahrt in Valetta an der Marina Roland Ponton B fest. Ebenfalls für 120 € die Nacht. Welch Schnäppchen, ließ man die Blicke durch den Hafen streifen. Wie arm wir doch waren. Groß, größer am größten. Und selbst das war noch zu toppen. Nämlich mit Bediensteten, die sich kümmerten.

Egal, wir haben unser Ziel erreicht. Zusammen 1.065 Seemeilen zu zweit mit Kleinkind in nur 16 Tagen. Das sind am Tag im Schnitt 66 Seemeilen. Nun lagen wir hier in Mitten der Hauptstadt von Malta. Grund genug, schon vor Sonnenuntergang mit einem eisgekühlten GT anzustoßen. Und da hingen wir dann, leicht schummerig in der Nachmittagssonne. Natürlich mit Hunger im Bauch. Jedoch kein Problem, hatte ich schon an Tag zuvor ein rotes und ein grünes Pesto angesetzt. So brauchten wir nur noch Spaghetti kochen und fertig war das Sommersonnemittagessen am frühen Nachmittag. Natürlich mit frisch geriebenen italienischen Parmesan. Zu fünft, denn die Mädels waren noch immer an Bord und verpassten darüber hinaus ihre 1600 Fähre zu ihrem Hotel.

Die Mädels unternahmen nach einer kurzen Phase der Rehabilitation einen etwas längeren Landgang, nahmen Louisa mit. Somit waren wir Männer für kurze Zeit alle Frauen los. Endlich Ruhe an Bord… abends bewunderten wir wieder ab 2200 das Feuerwerksspektakel. Hoch, bunt, laut, mit dem entsprechenden Druck in der Magengrube. Da wir alle an Deck schliefen, konnte dieses Spektakel selbst Louisa noch genießen. Ein Highlight kurz vor dem Ende ihres ersten Seesegelurlaubes auf der alten Qualle, meiner Jugend.

17.Tag – Dienstag, 06.08.2019 / Valetta

Hafentag, die Mädels gingen morgens von Bord, Qualle putzen, Kindersärge packen, Ankunft von Freunden aus Wismar, Taxi zum Flughafen gebucht, viel erzählt und gelacht, natürlich Pesto gegessen, Gin Tonic getrunken, von Berni verabschiedet, noch einmal Feuerwerk genossen, mit mulmigen Gefühl zum Thema Taxi morgens um 0500 in die Koje an Deck, schlafen.

18.Tag – Mittwoch, 07.08.2019 / Valetta – Berlin

Nach 17 Tagen und 1.065 Seemeilen auf den Planken meiner Qualle schlichen sich Louisa und ich morgens um 0445 pünktlich von Bord. Vielleicht das letzte Mal in meinem Leben. Es waren schöne Jahre. Vieles habe ich an Bord der Qualle gelernt, einen guten Lehrer gehabt…es war mir eine große Ehre, mit ihr große Teile ihres Heimweges durchs Mittelmeer nach Griechenland gesegelt zu sein. Danke, Du alte stolze Dame.

Erfolg ist planbar. Das Taxi kam, nahm uns mit, wir stiegen pünktlich in den richtigen Flieger und landeten rechtzeitig zur Einschulung von Louisa in unserem schönen Berlin.

Euer
Patrick
Berlin Weißensee, 26.09.2019



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