Verein Schmöckwitzer Wassersportler e.V.

Berichte und Bilder von Fahrten

Tagebuch der Qualle zwischen der Algarve und Brunsbüttel

Die Coronapandemie lässt uns bis heute so schnell nicht locker und wird wohl auch viele Jahre später immer noch mal wieder für Gesprächsstoff sorgen. Wir hatten eine Pauschalreise auf die Kanarischen Inseln gebucht, die erst in der Woche vor Reiseantritt storniert wurde. Und nun?

Mein Freund und Skipper, Berni, hatte den Winter über auf den griechischen Inseln verbracht und hatte sich erst kürzlich mit seinem erwachsenen Sohn, Finn, mit den ersten Coronalockerungen von Griechenland aus auf den Weg durchs Mittelmeer nach Wismar gemacht. Mit ihnen segelten schon Annemarie und Frank mit, die angesichts der coronabedingten Kurzarbeit ausreichend Zeit im Gepäck mitbrachten, aber keine Segler als vielmehr Gäste waren. Als ich dort anrief, waren sie gerade in der Nähe von Gibraltar. Dort ließ man sie allerdings nur zum Bunkern rein. Prompt mussten sie weiter. Keine Zeit zum Verschnaufen nach den langen Etappen über das Mittelmeer.

Die Qualle würde als Nächstes einen planmäßigen Wartestopp in Faro in der Algarve an der Südküste Portugals einlegen. Hier sollten via Flieger vier Freunde von Finn einsteigen: Paule, Jakob, Tim und Philipp. Alles Segler ausm Segelverein in Wismar. Schnell wurde klar, dass auch Katrin, Louisa und ich dorthin mussten, wollten wir den gemeinsamen Absprung mit der Qualle in Richtung Norden meistern.

Coronabedingt waren die meisten Flüge am Boden geblieben. Unter dieser Maßgabe einen Flug von Berlin nach Faro zu erhaschen, nahezu aussichtslos. Doch die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und aufgeben war noch nie eine Option. Wir recherchierten hin und her. Keine Direktflüge zwischen Berlin und Faro. Umsteigen war also inklusive, mehr Stress für nicht unerheblich mehr Geld. Egal: 3 Flüge mit Umsteigen in Amsterdam für etwa 1.400 € ergattert. Sonntagvormittags, es war der 28.06.2020, ging es ab 1145 in Tegel los.

1850 Ortszeit landeten wir in Faro. Vor Corona gab es diverse Direktflüge mit etwa drei Stunden Reisezeit zwischen Berlin und Faro für rund 170 € je Person. Um keine Zeit zu verschenken, nutze die Qualle unsere Anreisezeit schon für einen kleinen Verholer nach Portimao. Für 85 Euro brachte uns ein Taxi vom Flughafen Faro nach Portimao bis fast an Deck. Ausgestiegen, Mastencheck und schon wussten wir, wo wir hin mussten. Die Begrüßung tat coronalike ein wenig weh. Umarmten und küssten wir uns immer, wenn wir uns nach langer Zeit mal wiedersahen. Dennoch war sie herzlich und wir waren willkommen an Bord. Nun war die Besatzung der kommenden Wochen nahezu vollständig: Berni, als mitsegelnder Eigner
Finn, Sohn und Schiffsführer
Annemarie, mitreisender Gast
Frank, mitreisender Gast
Tim, Segler und Tidenchef
Jakob, Caderlasersegler a.D.
Philipp, Segler aus HWI
Paul, alias Paule, Segler aus HWI
Katrin, VSW
Louisa, VSW
Paty, VSW


Nahezu deshalb, weil wir irgendwie und irgendwo noch Lisa, die Freundin von Finn, einsammeln mussten. Sie konnte studienbedingt nicht zusammen mit uns nach Faro anreisen. Operative Spontanlösungen mit dem Hang zum Verrückten sind eine Spezialität von Qualleseglern. Niemand rechnet mit uns…

Finn jedenfalls hatte die Abendstunden genutzt, um geschnetzelte Currypute an Reis zu kochen. Es galt, die hungrigen Mäuler unserer vier Jugendlichen zu stopfen. Wir aßen an Deck. Erst als alle gut gelaunt und satt waren, stellte sich ein Defizit unseres Abendmahls heraus. Finn hatte die Cashewkerne als Zutat vergessen… Während die einen schon mal abwuschen, gab es an Deck schon mal GT‘s mit frischen Eiswürfeln von den Pinguinen und später Rotwein aus dem Sack. Bis auf Annemarie und Frank schliefen angesichts des lauen Abends alle an Deck. 29.06.2020 Montag I Portimao - Baleeira/Sagres (Portugal) I 22sm

Wir lagen längsseits eines an Nigeria verkauften Maschinenfahrzeugs. Seine Neonröhren machten streckenweise die Nacht zum Tag und hin und wieder roch es nach Diesel, sofern das Lüftchen in unsere Richtung blies. Mir war das egal. Ich ließ mich von der Sonne wachkitzeln und folgte dem Geschrei der Möwen. Endlich wieder an Bord. Ein tolles Gefühl.

Noch vor dem Nachbunkern von Wasser, Bier und anderen Lebensmitteln schossen wir alle jeweils 150 € in die Bordkasse. Für Louisa zahlten wir nur 50 €. Mit 4 Litern Gin aus dem Dutyfree füllte ich unsere Bar im Salon auf. Wie lange das wohl reichen mag, dachte ich mir…? Für einen schlechten Witz hielt ich es am Abend zuvor, irgendwelche Riesenkukaratschas an Bord zu haben. Offensichtlich kein Witz, brachte uns Hilde, ein dort lebender Freund, am Morgen irgendwelche Kampfmittel gegen diese Tiere vorbei.

Alle gingen nach dem Frühstück in der Morgensonne an Deck noch einmal Duschen. Wer wusste schon, für wie lange das vorhalten musste? Berni holte die Schiffspapiere vom Hafenbüro und wir legten um 1245 in Richtung der Marina mit Bunkerstation ab, lagen wir im Werftgelände.

In der Marina bunkerten wir um 1315 172 Liter Diesel. Dann legten wir erneut ab. Die Segel lagen vorbereitet an Deck, blieben jedoch in Ermangelung von Wind unten. Ab 1400 machten wir die Maschine aus, setzten kleinen Klüver, Fock, Fisherman, Stagsegel und das Großsegel. Der Wind wehte mit 3 Windstärken aus West, der Himmel wolkenlos.

Nach nur 22 sm entschieden wir uns um 1800 in Baleeira/Sagres vor Anker zugehen, um hier den Gemüsetopf von Annemarie und Frank zu genießen.

30.06.2020 Dienstag I Baleeira/Sagres (Portugal) Logge 1643 sm – auf See

Sagres ist ein Cap, eine Landecke in dessen Schutz wir die Nacht verbrachten. Natürlich mussten wir hier rum, ab dann würden wir ungeschützt gen Nordnordwest müssen. Und genau daher sollte auch der Wind her wehen. Der Wind ist auf dem Atlantik nicht per sé das Problem. Vielmehr die sich hieraus auftürmende Welle und der Strom. Im schlimmsten Fall hat man dann jedoch alle Kräfte gegen sich. Und dafür ist der Mensch zu klein und zu schwach…

Lange Zeit begutachten wir deshalb die Wetterberichte. Der Wind würde anfangs mit 5 Windstärken aus Nord wehen. Optimal, um das Cap zu umrunden. Danach sollte der Wind sogar wieder weniger werden, so auch die Welle. Insofern spielten uns die Wetterprognosen kurzfristig in die Karten, weshalb wir um 1100 spontan den Anker in Sagres aufholten. Ab in den Kampfanzug See geschlupft und los sollte es gehen. Die Logge zeigte zu Beginn 1643 sm. Unser Ziel sollte Sines – die Hälfte zwischen unserem Cap und Lissabon – sein.

Die Welle war eckig, weshalb die Qualle stark nach Luv überholte. Eine unangenehme Schiffsbewegung. Gefühlt kotzte ich den ganzen Tag. Erst nach einigen Stunden der Gewöhnung ging es mir wieder besser.

Um das Cap rum, hatten wir nun nur noch das Stagsegel und die Fock oben, die Maschine lief mit. Für die Hundewache 0000 – 0400 entschieden sich Finn und ich. Wir wurden bis 0800 durch Tim und Paul abgelöst, währenddessen die Wache vor Finn und mir, also zwischen 0800 bis 1200, Philipp und Jakob übernahmen.

So verstrich die Zeit und die wachlosen Annemarie und Frank verlängerten noch einmal den Gemüsetopf, schließlich brauchten wir im Hinblick der Welle eh nicht so viel zum Essen.

01.07.2020 Mittwoch I auf See

Nachts um 0200 in meiner Hundewache hatten wir dann Sines, unser eigentliches Etappenziel, querab. Finn und ich entschieden, weiter zu gehen. Schließlich wollten wir so schnell und so weit als möglich nach Norden, nach Hause, nach Wismar. Zudem ging es den meisten von uns wieder wesentlich besser. Und auch der Wind nahm im Laufe des Tages auf nur noch 4 Windstärken ab, drehte wieder ein wenig mehr nach West.

Etwa ab Caiscas, einem Vorort von Lissabon kreuzten wir mit langen Schlägen nach Norden, insbesondere, um an der Flussmündung von Lissabon vorbei zu kommen. Von dort an änderte sich unser Generalkurs von NNW/N auf NNE. Selbst vom Atlantik aus, sahen wir zumindest Teile der berühmten Brücke „Ponte 25 de Abril“ über den Tajo, der nach Lissabon führt. Erst gegen 1600 hatten wir Lissabon klar achteraus und Peniche noch 31 sm im Voraus. Am frühen Abend kochte ich eine leckere Bolognese aus absolut frischen Zutaten, ehe das Hack schlecht werden würde. In diesen Regionen bekommt man nämlich kein vakuumverpacktes Hackfleisch. Das gibt es hier zumeist nur frisch aus dem Wolf. Wir aßen mit nur einer Ausnahme an Deck. Annemarie ging es wegen Übermüdung schlecht. Zudem erfuhr ich erst jetzt, dass sie vegetarisch isst. Das macht die Sache nicht gerade immer einfacher.

Im Laufe des Tages veränderten wir unsere Wachen wunschgemäß wie folgt: 0-4 Hundewache Paty und Finn, 4-8 Philipp und Jacob und zwischen 8-12 Tim und Paul.

Wir machten gute Fortschritte, hatten wir gegen 2200 Peniche sogar schon achteraus. Peniche ist etwa das erste Viertel auf dem Weg zwischen Lissabon und Porto im Norden.

02.07.2020 Donnerstag I auf See – Figueira da Foz Logge 1861 I Distanz 218 sm

Da wir die portugiesische Küste gen Norden segelten, hatten wir oft und lange sehr gutes Internet. Das ist dort anders, als in der Bundesrepublik. Insofern studierten wir stets den Wetterbericht. Insbesondere, weil die Distanzen zwischen den Häfen oft länger sind, als auf der guten alten Ostsee. Und der Wetterbericht prognostizierte uns wieder zunehmend auf Nord drehend, weshalb Finn und ich entschieden, den Kurs nach Porto abzubrechen, um nach Figueira da Foz zu gehen, dort abzuwettern. Und schon beim Einlaufen wurden wir in unserer Entscheidung bestätigt. Um 0950 waren wir nach dem Dieselbunkern dicht beim Anleger wieder voll und fest. Und was gibt es morgens pünktlich um 1000 in „Deutschland“? Nein, keinen Knoppers. Viel besser: einen Anleger GT bei bestem Sommerwetter an Land.

Etwas später machte sich nach den ersten Tagen auf See auch das Verlangen nach ordentlicher Nahrung breit. So gab es 1100 ein gemeinsames Frühstück unter Deck mit selbst angesetztem Knoblauchfeta und frischer Guacomole. Danach verstreuten sich die Leute an Land. Immer die Maske dabei, unwissend, was in den vergangenen Tagen hier an Land für Regelungen eingeführt worden sind.

Katrin, Louisa, Tim, Finn und ich wollten zum Strand. Bei der Einfahrt in den Hafen sah er sehr weiträumig, völlig ohne Menschengedränge aus, breit und tief. Er bot uns mehr als genug Platz zum Baden und Herumtollen. Doch als wir unseren Strand nach etwa 10 Minuten Fußmarsch erreichten, wurde uns bewusst, warum dieser so leer war. Beim Einlaufen schienen die Wellen nebst der sich daraus ergebenen Brandung nicht so groß und gewaltig zu sein. Die Brandung zeigte sich von seiner starken Seite und schoss mehrere Meter ungebremst auf den Strand, um dann alles mit in den Atlantik zu nehmen. Ich wiege gute 94 Kilogramm, dennoch verspürte ich Respekt vor diesen ungebremsten Wassermassen. Wir blieben trocken und gingen zurück an Bord, naschten auf dem Weg ein Eis.

In Vorbereitung der kommenden Tage und Wochen wuschen wir mit der an Bord befindlichen Waschmaschine unsere Wäsche, ließen sie in der Sonne Portugals Expresstrocknen.

Ansonsten lebten wir in den Tag hinein, nichts drängte uns, wussten wir, dass wir hier ein paar Tage angesichts des Wetters verweilen würden. Und wer nicht arbeitet, soll wenigstens gut essen, weshalb wir die Reste der schmackhafte Bolognese vom Tag zuvor einfach etwas verlängerten, frisch geriebener Parmesan dazu, fertig war unser Mahl. Während des Essens starteten und landeten zwei Wasserflugzeuge im Hauptlauf des Mondego zwischen Brücke und dem Atlantik. Hafenkino pur.

Und abends? Standesgemäß genossen wir in der Abendsonne ein paar coole GT‘s an Deck.

03.07.2020 Freitag I Hafentag – Figueira da Foz (Portugal)

Der erste Hafentag begann mit einem vollmundigen Frühstück unter Deck. Und bei dem Thema Essen gelandet, wurde prompt eine Essensliste für die kommenden Tage erstellt, um danach hier im Ort einkaufen zu können. Die Einkaufsmöglichkeiten im Sinne zweier Supermärkte befanden sich eine knappe halbe Stunde von der Qualle entfernt. Dabei galt es hohe Hügel, ich als Flachländer würde sie Berge nennen, zu überwinden. Mit den vollen Rollreisetaschen ging es dafür abwärts wesentlich leichter… irgendwie praktisch angelegt.

Die Meute war also beschäftigt und demnach nicht an Bord. Berni und ich hatten die Qualle ganz für uns allein. Wir nutzten die Zeit für eine Reparatur an der Schaltung der Qualle. Der Rückwärtsgang schaltete schlecht. Mal griff er, mal wieder nicht. Ein zu hohes Risiko bei An- und Ablegen. Ganz offensichtlich war der durch uns seinerzeit verbaute Bowdenzug in die Jahre gekommen, war festgelaufen. Vielleicht auch, weil er von Anfang an zu lang war, stammte er noch aus Zeiten mit dem alten Innenausbau.

In der Hoffnung einen neuen, kürzeren Bowdenzug kaufen zu können, gingen wir zum Hafenshop. Doch der hatte gerade kurz zuvor zur mehrstündigen Mittgaspause geschlossen. Nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns, den alten Bowdenzug einfach zu kürzen. Hierzu ließen wir uns Mimiken einfallen, wie wir das Endstück am Hydraulikgetriebe befestigen würden. Das war Basteln wie in „alten Zeiten“. Nur waren Berni und ich damals 25 Jahre jünger und kräftiger…, aber Männer sind bekanntlich wie Rotwein: je älter, desto besser! Unser Eingriff und das Nachsetzen der Brille unserer Wellenanlage waren natürlich ein voller Erfolg!

Zum Abend kochte Katrin mit „ihren Jungs“ Putengeschnetzeltes an Reis, danach punktete ich mit einem überschaubaren Familienspaziergang im Hafen bei Sonnenuntergang. An Bord angekommen lief schon Gute-Laune-Musik und es wurden Drinks gereicht. Wir leben schlicht nur einmal…

04.07.2020 Samstag I Hafentag – Figueira da Foz (Portugal)

Der Wind wehte noch immer mit zu viel Kraft aus der falschen Richtung für uns. Aus Nord versteht sich. Drum blieben wir wieder liegen, machten uns einen schicken Hafentag.

Nochmals zog es uns – heute mal Katrin, Louisa und mich - zum Lidl unseres Vertrauens hinter den gefühlt sieben Bergen. Nein, es war nur einer. Der dortige LIDL versprühte ein wesentlich besseres Shoppinggefühl als zu Hause. Mehr regionale Angebote und somit mehr Meeresfrüchte. Egal ob frisch oder in loser TK Variante. Heller zugleich weitläufiger und moderner gestaltet bot er sich dar.

Offensichtlich von Sehnsuchtsgefühlen der Heimat motiviert, kauften wir TK Spinat und kochten diesen zu Stampfkartoffeln und 24 Rühreiern. Als Topping kredenzte uns Paule seinen mit Hingabe gekochten Schokopudding.

Und danach? …nix besonderes… nun saßen wir wieder hier… Wieder saßen wir in versammelter Runde an Deck, tranken geistreiche Getränke mit frischen Eiswürfeln. Die Pinguine kamen mit dem Legen kaum hinterher. Am Himmel zogen fette Wolken von Nord nach zu Süd… Was die wohl für Wind und Wetter brachten, Katrin und Louisa schliefen dennoch an Deck.

05.07.2020 Sonntag I Hafentag – Figueira da Foz (Portugal)

Ein neuer Tag erwachte. Brachte der auch neues Glück? Morgens dominierte dichter Seenebel unsere Sicht. Ich bereitete deshalb das Frühstück lieber unter Deck vor.

Immerhin bot das Abwettern der letzten Tage eine gewisse Planungssicherheit für die Anreise von Lisa, Finns Freundin, die an diesem Sonntag aus Wismar anreisen sollte. Das Reisen mit der Deutschen Bahn zum Flughafen bot wieder einmal genügend Auslöser zum abendlichen Lästern: https://www.youtube.com/watch?v=wXjhszy2f9w.

Abgesehen davon war der Wind wieder nicht mit uns…wir verpassten also nix da draußen vor der Atlantikküste. Täglich grüßte das Murmeltier… wir wuschen wieder Wäsche, um für die dann hoffentlich bald anstehenden Seetage optimal gerüstet zu sein. Hier hatten wir alles, was wir brauchten: Wasser, Sonne, Strom und gute Läden.

Nach einem kleinen Eisesslandgang mit Louisa in Richtung Strand kochten Katrin und ich die Königsberger Klopse nebst Kartoffeln und das Chili für die planmäßige Weiterfahrt in Richtung Muxia am nächsten Tag vor. Natürlich alles aus frischen Zutaten. Nix Soßenbinder oder gar Tütenfertigkram… Unsere Klopse waren ein voller Erfolg.

Ein großer Nachteil meines Kochens ist jedoch immer, dass ich ungehemmt aus dem Vollen greife. Aus Angst, es sei zu wenig und dann würden die noch hungrigen Mitesser böse, weshalb sich für den nächsten Morgen natürlich wieder die Notwendigkeit eines kleineren Einkaufs abzeichnete. Diesen wollten dann Finn und Lisa übernehmen.

Die nichtkochenden, aber dennoch gut essenden Teile unserer Mannschaft machten sich schon Gedanken über unseren intensiven Hackkonsum und füllten ihre Gedanken mit diesen beiden Liedern mit Leben. Die Jugend ist an dieser Stelle echt kreativ:

Alles wird aus Hack gemacht: https://www.youtube.com/watch?v=ErVZr2DEiss oder Fleischesslust: https://www.youtube.com/watch?v=ql3850HNyEY.

06.07.2020 Montag I Figueira da Foz (Portugal) Logge 1861 sm – auf See

Laut Wetterbericht wollten wir es heute wagen. Der Wind sollte westlicher auf Nordwest gedreht und auf 4 abgenommen haben. Wir frühstückten unter Deck, Tim hatte die frischen Brötchen besorgt, währenddessen Lisa und Finn den Pingo Dosch Supermarkt hinter den sieben Bergen aufsuchten, um Roséwein und Kreuzkümmel für das Chili con carne zu besorgen.

Als wir um 1030 bei wolkenlosem Himmel mit 1013 hpa ausliefen, wehte kaum Wind, er kam erst etwas später und nahm dann auf etwa 5 Bft. zu. Die Kombination aus Windrichtung, Windstärke und Welle machte uns schnell deutlich, dass wir mit der alten Dame nicht ausschließlich segelnderweise auf Nordkurs gehen konnten. Wir setzten Fock und Stagsegel, ließen jedoch die Maschine mit kleiner Drehzahl mitdrücken.

Unsere Wachen ließen wir vorerst unverändert. Dennoch war eigentlich der Plan, dass mich Lisa in der Hundewache ablösen sollte. Das junge Liebespaar hätte dann vier Stunden allein an Deck gehabt. Genügend Zeit, um sich noch näher kennenzulernen. Der Plan war gut, nur klappen muss er. Und er ging eben nicht auf, musste sich Lisa erst an die Schiffsbewegungen gewöhnen und trennte sich permanent von ihren Nahrungsmitteln. Trennkost also. Insofern blieben unsere Wachen in der Tat unverändert.

In den frühen Abendstunden entscheiden wir uns für einen Verholer weg von der nahen Atlantikküste hinein ins tiefe Wasser, welches zudem frei von Fischerei war. Gegen 1800 nahmen wir aus unseren schwarzen Steingutschüsseln das mittlerweile gut durchgezogene Chili con carne zu uns. Leider machten wir durchweg mit nur zwischen 3,5 – 4,5 kn wenig Fahrt über Grund. Es schienen also nicht nur der Wind und die Welle sondern auch der Strom und die Tide zumindest nicht mit uns zu arbeiten. Durchhalten lautete die Devise. Erst um 2200 machten wir wieder eine Wende auf 000°.

07.07.2020 Dienstag I Figueira da Foz (Portugal) – auf See

Wir waren auf See mit dem Ziel Muxia, einem kleinen Dorf auf dem nordwestlichsten Zipfel Spaniens. Vielen auch im Zusammenhang mit dem Jakobsweg ein Begriff. Von hier aus wollten wir den Sprung über die Biscaya nehmen.

Mitternachts, in meiner Hundewache mit Finn, wehte der Wind bei 1012 hpa noch immer aus NW mit 5 Bft. Tendenz jedoch abnehmend, weshalb wir eine Fahrt mit guten 4 Knoten machten. Erst zu Beginn der Wache zwischen 8-12 mit Annemarie und Frank war der Wind bereits auf E gedreht und nahm dann stetig bis auf 2 Bft ab. Das bei relativ gleichbleibendem Luftdruck mit zwischenzeitlich 1010 hpa. Die Welle wurde demnach erträglicher, jedoch die Fahrt über Grund leider nicht mehr. Wir setzten den kleinen Klüver, den Fisherman und das Großsegel, hatten schon Fock und Stagsegel zu stehen, segelten nunmehr also unter Vollzeug.

Gegen 1800 drehte der Wind wieder zurück auf Nord und nahm auf 3 Bft. zu. Die Logge zeigte uns 2005 sm.

Lisa erholte sich angesichts der weniger gewordenen Schiffsbewegungen und wollte für mich mit Finn Wache gehen. Berni und ich setzten uns als wachfrei in den Salon ab. Dort kochten wir noch einmal für alle das Chili auf, reichten es zum Essen nach oben an Deck. Wir gönnten uns im Nachgang die ersten beiden Drinks des Tages.

Kurz vor Sonnenuntergang sahen wir gegen 2100 wieder Delfine und sogar Grindwale. Der Wind nahm vorhersagegemäß weiter zu. Die Jungs Tim und Paule am Ruder holten um 2200 Finn aus der Koje, machten bei 1,5-2 m Welle querkant gegenan nur noch 2,5 Knoten Fahrt. Der Wind wehte zwischenzeitlich schon wieder mit 6 Windstärken aus Nord. Wir nahmen die Segel bis auf Fock und das gereffte Großsegel runter.

Da wir wieder Internet hatten, studierten wir den Wetterbericht, der uns leider nicht in die Karten spielte. Muros statt Muxia stand der Entschluss schnell fest. Was sollten wir uns hier auf dem Atlantik vermöbeln lassen. Absoluter Quatsch. Wir fielen auf NE ab.

08.07.2020 Mittwoch I auf See – Muros (Spanien) Logge 2042 I Distanz 181 sm

Muros liegt etwa 35 sm Luftlinie südlicher Muxia, auch auf dem spanischen Festland. Jedoch im Landschutz von Cap Finisterre. Insofern nahmen Wind und Welle aus Norden, je mehr wir uns Muros näherten, ab. Berni, Finn und ich kannten den Hafen aus den vergangenen Reisen. Uns war das Haus des Hafenmeisters mit Dusche, WLAN und Wohnzimmer nebst Fernseher positiv in Erinnerung geblieben.

Dennoch war das Einlaufen anspruchsvoll. Der „harte Kern“ stand an Deck. Die Berge nebst der beleuchteten Zivilisation erhoben sich vor uns und erschwerten das Erkennen von Hafeneinfahrten, Ankerliegern und Untiefentonnen. Gutes Kartenmaterial und die digitale Darstellung dessen brachte uns dennoch sicher an unseren Liegeplatz am ersten Fingersteg, der zum Glück für uns frei war. Als hätte man dort auf uns gewartet…

Um 0245 waren wir achteraus fest. Die 4 Jungs inhalierten schnell das allerletzte Chili, wir nahmen einen Anleger GT, wobei ich beim ersten fast den Gin vergaß. Wie fruchtig ein GT mit Zitrone, allerdings ohne Gin, doch schmecken kann…, aber als Schlafbeschleuniger schenkte ich ihn rasch nach. Gefolgt von einem zweiten Absacker GT. Und der gelang auf Anhieb vollständig. Gute Nacht!

Die folgenden Tage sollten wieder Hafentage werden, um den starken Wind auf der Biscaya aus NE abzuwettern. Insbesondere an der nordwestlichsten Küste Spaniens bis hin ins französische A Coruna erstreckte sich ein permanentes Windfeld, worin der Wind noch einmal erheblich stärker wehte, als auf der restlichen Biscaya. Wir nannten es mit seiner gelb, meist dunkelorangenen Farbe im Windfinder immer nur das „Windauge“.

Dem späten oder besser erst frühen Einlaufen geschuldet versammelten wir uns gut ausgeschlafen erst um 1200 zum gemeinsamen Frühstück mit Kochei. Gut gestärkt reparierte Finn das Schanzkleid in der Nähe des Reserveankers. Hier ist uns bei See eine Planke aufgerissen, die wir nun wieder anschraubten.

Die Langeweile im Wechsel der Tide ergoss sich zum Beispiel in einer Stegbesichtigung. Wobei alle Schiffe schlicht nur näher unter die Lupe genommen wurden. Und wenn nicht der Steg begutachtet wurde, wurde Windfinder mit seinen neusten Prognosen begutachtet. Allerdings leider oft ohne den gewünschten Erfolg, vielmehr verblieben wir in einer zermürbenden Unsicherheit, wann es denn nun wie endlich weitergehen würde.

Das, was wir alle am besten konnten, war essen, trinken und wieder nachbunkern. Ein nie endender Kreislauf. Diesem Schema getreu folgend gingen große Teile unserer Besatzung um 1645 zum Einkauf im nächstgelegenen Supermarkt. Ich begann, meinen Bericht zu schreiben, währenddessen sich Berni, Finn und Lisa zum Scampiessen an Land absonderten. Auch Annemarie und Frank begaben sich anderweitig auf Landgang, zu dem sie sich mit „Kicherwasser“ einstimmten.

Den alleingebliebenen Jungs nebst Louisa, Katrin und mir an Bord reichte ich in die Tage gekommene aber aufgebackenen Backwaren an frisch angesetztem Knobiöl sowie einen sonnengereiften Tomatensalat an Thunfisch und Kapern.

Alle wieder vereint, feierten wir in die Nacht. Niemand schien, in die Koje gehen zu wollen. Vielmehr wollten wir in den nächsten Tag hineinfeiern, in Bernis Geburtstag. Um Mitternacht kullerten bei den Gratulationen dicke Altmännertränen, Umarmungen versuchten zu trösten. Tanzen an Deck nach Musik absolut eigener Wünsche, die einer Zeitreise ins vergangene Jahrtausend glich. Musik, mit der wir Alten an Bord groß und alt wurden. Neben Tanzen und Lachen: Saufen bis irgendwie weit nach drei. Die Fischer liefen schon aus. Der Däne mit seiner HR 40, der erst abends neben uns einlief, zeigte sich von unserer Party unbeeindruckt, prostet uns am nächsten Morgen schon mit einem frischen Bier wieder zu …

09.07.2020 Donnerstag I Hafentag – Muros (Spanien)

„The Day After“ ist meist ganz einfach nur ruhig. Der Wind hingegen wehte noch immer und auch für die kommenden Tage vorhergesagt immer aus Nord und in viel zu stark. Nix gegenan. Und auch unser „orangenes Auge“ lauerte wie gehabt am selben Fleck. Wir blieben natürlich liegen. Hafentag. Gammeln. Ausnüchtern. Baden am Strand, direkt neben unserem Hafen. Einkaufen. Frisches Hack machen lassen. Im Supermarkt unseres Vertrauens: klein und überschaubar, aber alles frisch, regional und mit Frischetheke. Für unser Hack wurden vom Gesamtstück erst Koteletts getrennt, diese dann ausgeschält und dann erst vor unseren Augen gehäckselt. Der Metzger brauchte erst eine Weile, ehe er verstand, was wir von ihm wollten.

Dann erst konnte ich echte Berliner Bouletten für das Abendmahl zaubern. Annemarie und Frank brachten sich mit einem echt vegetarischem Gemüse Tandori ein. Eine etwas unorthodoxe Kombination, aber Seeleute sind da nicht zimperlich. Erst einmal probieren! Und alle wurde tatsächlich satt. Keiner musste auswärts essen gehen.

Unser Verdauungsspaziergang führte uns am Eisstand, direkt an der Meile, vorbei bis zum Ruderklub und wieder zurück. Im Klartext: Erster Nachtisch auf dem Weg zum Ruderklub, zweiter Nachtisch auf dem Weg zurück an Bord. Das Eis war oberlecker. Wir konnten schlicht nicht anders. An Bord angekommen genossen wir das Kinofeeling mit dem Klassiker „Das Boot“. Bei Bouletten, Chips und Schoki fieberten alle in der Tiefe mit, bewegten wir uns auf den Spuren von U96.

10.07.2020 Freitag I Hafentag – Muros (Spanien)

Erste Erscheinungen eines Bordkollapses machten sich breit. Berni machte keinen Hehl daraus, auch mal allein an Bord sein zu wollen. Er schlug Katrin und den Jungs einen Tagesausflug nach Santiago de Compostela im Landesinneren vor. Vom Hafen aus gut mit einem Linienbus für 4,80 €/Person zu erreichen. Ich brachte meine zwei Mädels mit den vier jugendlichen Jungs zur Bushaltestelle. Es war Wochenmarkt, auf dem Rückweg besorgte ich mir ein Kilogramm Süßkirschen, weil in dieser Gesamtgemengenlage an einem gemeinsamen Frühstück irgendwie eh nicht zu denken war.

Ich vertrieb mir die Zeit mit Filmen wie „Anna“ und „Mein Weg“, die ich mir zuvor im WLAN auf mein Tablet runtergeladen hatte. Durchaus empfehlenswert. Danach inhalierte ich auch noch eine Biografie über Bud Spencer. Berni holte etwas später sein Saxofon heraus und probte ein wenig. Allerdings packte er auch gleich wieder ein, da der Sonnenbrand auf seinen Lippen das Spielen unerträglich machte. Als alle wieder wohlbehalten an Bord angekommen waren, besuchten wir unseren Stand direkt neben unserer Hafenmole. Kurze Wege also.

Als Abendbrot rangen wir uns zur Resteverwertung durch. Eine „Wilde Suppe“ mit gebratenen Wienern sollte es werden. Ergänzt mit frischem Baguette vom gardis Supermarkt.

11.07.2020 Samstag I Hafentag – Muros (Spanien)

Ein Fenster für die Abreise tat sich auf. Alles zückte das Handy und checkte Windfinder, Windy und Co. Es könnte der 14.07.2020 werden. Endlich. Aber alle handelnden Akteure der Biscaya wie unser „orangenes Auge“ vor der Küste zwischen Muxia (Spanien) und A Curona (Frankreich), die Windrichtung aus Nordost und auch die 5 Windstärken waren präsent. Mal mehr, mal weniger, aber immer irgendwie hinderlich. Es schien sich kein ausreichend langes Fenster für uns zu ergeben. Diskussionen an Deck. Wir wollten alle nach Norden. Insbesondere Katrin musste am 19.07.2020 spätestens wieder in Berlin sein. Zur Vorbereitung eines solch großen, mehrtägigen Sprungs sollten alle Tanks, Kühlschränke und Speisekammern gut gefüllt sein, um nicht unterwegs zu scheitern. Leider hatte die Tankstelle im Hafen natürlich am Wochenende geschlossen.

Erneuter Gammeltag im Hafen. Strandgang, Besuch unseres ganz persönlichen Eisstandes im Hafen, wieder einmal das leidige Thema der Essensplanung – wobei mir langsam die Ideen entsprechender Gerichte ausgingen, konstatierter Großeinkauf in unserem Gadis Supermarkt. Paule kochte mit Hilfe von Tim die Senfeier des Tages. Allerdings brannte ihnen in Ermangelung der Erfahrung im Kochen solcher Mengen die Mehlschwitze an. Um nicht wieder bei Null anfangen zu müssen, übernahm Katrin die Rettungsaktion.

Der Blick in unsere Bordkasse sah mager aus. Unser gutes Essen aus immer frischen Zutaten schlug sich hier nieder. Sie war nahezu leer, weshalb wir sie mit noch einmal 50 Euro je Person auffüllten. Louisa blieb hierbei außen vor, hatte ich zu Beginn unserer Reise 4 Liter Gin gesponsert.

12.07.2020 Sonntag I Hafentag – Muros (Spanien)

Der Morgen unseres bereits vierten Hafentages erwachte. Die Nerven waren angespannt, zerrann uns wertvolle Zeit, mussten wir alle Ende Juli wieder an die Arbeit oder ans Studium, an die Ausbildung. Der tägliche Wettercheck lief. Im Ergebnis blieben wir wieder liegen.

Dennoch machte ich einen gewissen Druck auf Berni, uns irgendwie durch unser „orangenes Auge“ durchzuschlagen, uns im Schutze des Caps Finisterra und des Landes insgesamt voranzutasten. Und ja, wir müssten dann vielleicht einen Tag ganz stark sein, die Naturgewalten gegen uns ertragen. Aber dahinter sollte es dann ruhiger werden. Und wenn wir es jetzt nicht versuchen, würde die Qualle Weihnachten noch immer in Muros verweilen, denn wir müssten dann irgendwann von hier die Heimreise antreten. Schließlich zeigte uns Windfinder keine grundsätzliche Wetteränderung in der 7-Tage-Vorhersage. Im Laufe des Tages setzte sich die Tendenz durch, es tatsächlich versuchen zu wollen, den Sprung über die Biscaya zu wagen. Da musste was gehen…

Finn und Berni bauten die Satellitenschüssel auf. Wenn wir schon nicht vorankommen, wollten sie wenigsten den anderen dabei zuschauen. Heute lief Formel Eins.

Ich zauberte währenddessen unser frisches, selbstgemachtes Pesto. Das hält sich gekühlt einige Tage. So bräuchten wir unterwegs nur Nudeln kochen und hätten ein perfektes Schaufelessen an Deck. Jakob kam unterstützend einen Augenblick später hinzu, um zusammen die Bouletten zu braten und die harten Eier für die Überfahrt zu kochen. Diese würden wir uns als Snack nur schnell in den Mund stecken, um dann schnell wieder an Deck gehen zu können.

Für den aktuellen Abend kochte Katrin im Anschluss die Lauch-Hacksuppe und den Linseneintopf der ersten Tage der Überfahrt. Bislang kochten wir immer so, dass entweder eine komplette Mahlzeit für den Folgetag vorhanden war oder aber möglichst kein Rest übrigblieb. Die Lauchhacksuppe war demnach auf Punktlandung kalkuliert, weshalb Berni plötzlich kritisch hinterfragte, weshalb nicht auch für ein Snack am nächsten Tag gekocht wurde. Fragezeichen in den Gesichtern unserer Küchenleute. Später suchte ich die Aussprache mit Berni, Finn in der Funktion des Kapitäns hielt nur eine knappe Ansprache. Demnach sind wir ein Schiff und wollen zusammen in Wismar ankommen. Jeder solle artikulieren, sofern der Schuh drücke.

Am Ende dieses Tages gingen wir alle früh in die Kojen, um am nächsten Tag sicher und geschmeidig in unsere Überfahrt der Biscaya starten zu können. Für Katrin war es damit auch klar, uns hier zu verlassen. Liegegeld zahlten wir insgesamt 220 €, die Berni übernahm.

13.07.2020 Montag I Muros (Spanien) Logge 2042 sm – auf See

Euphorisch standen wir früh gegen 0730 auf. Der Wind wehte wieder wesentlich doller aus Ost. Als erstes verholten wir planmäßig zur Bunkerstation, tankten 355 Liter Diesel. Louisa und ich verabschiedeten uns von Katrin, buckelten ihre schweren Taschen auf die Pier. Zwischenzeitlich studierten die anderen den Wetterbericht auf Windfinder und Co. Unser Fenster zum Durchstoßen auf die Biscaya hatte sich erneut nach hinten verschoben. Vor der Haustüre lauerte noch immer unser mittlerweile nicht mehr orangenes Auge. Es hatte weiter an Energie zugelegt und demnach seine Farbe ins Braun verändert. Definitiv zu viel für uns, weshalb wir uns darauf verständigten, erst zum Abend abzulegen. In der Zeit sollte dann unser Windauge südlich von uns gezogen sein. Zudem sieht man in der Nacht die Wellen nicht mehr so dolle…

Wir buckelten die Taschen von Katrin wieder an Bord. Runter ging leichter als hinauf. Unter Deck genossen wir ein letztes gemeinsames Landfrühstück. Wie auch die Tage zuvor füllten wir unsere Lebensmittelreserven auf, kauften letzte fehlende Zutaten ein. Auch Motorenöl stand auf unserem Zettel. Zugleich waren die paar Stunden noch ein letzter Tag für Louisa mit der Mutti.

Der späte Nachmittag/frühe Abend waren schnell verstrichen: ein vorerst letztes Duschen, ein Linseneintopf mit Knackwürsten als letztes Abendbrot ohne Schaukeln und Schwanken, nach dem Abwaschen Trinkwasser bunkern.

Pünktlich um 2000 legten wir ab. Ich musste mich um meine sieben jährige Tochter, Louisa, kümmern. Sie litt plötzlich an akutem Trennungsschmerz. Aber die jungen Wilden hatten alles gut im Griff. Noch im Schutz der Berge nahmen wir die Segel, beginnend mit dem Großsegel hoch. Allerdings kam das Groß samt Vorstag noch beim Durchsetzen sofort wieder runter. An diesem war der Bolzen des Wantenspanners am oberen Ende gebrochen.

Wir nahmen die anderen Segel hoch und gingen weiter raus aus der Bucht. Vor uns bewegte sich jede Menge Fischerei mit vielen Netzen. Die Lage gestaltete sich unklar, weshalb wir die Fischer mit Fernglas beobachteten, wohin sich deren Netze erstreckten. Wir ließen das Treiben backbord liegen und gingen rechts am Felsen vorbei. Als wir nun freies Wasser hatten, zogen wir Philipp in den Mast. Dort wechselte er auf See den Wantenspanner. Für ihn gingen wir von Amwind auf Vorwind, damit es da oben etwas ruhiger wurde. Als er die Reparatur abgeschlossen hatte, setzten wir endlich auch das Groß und segelten in den Sonnenuntergang.

Endlich sollte es losgehen. Der langersehnte Start über die Biscaya. Doch in meiner Freiwache des Nachtens legte der Wind auf die Nase nochmals zu, wehte schlussendlich mit 40 Knoten, also einer Windstärke 8 oben im Top des Großmastes. Schnell fiel die Entscheidung, auf Cap Finisterra abzulaufen. Obwohl da offiziell kein Hafen eingetragen war. Aber hier draußen war es auch nicht mehr zum Aushalten.

14.07.2020 Dienstag I auf See – Cap Finisterra (E) Logge 2079 sm I Distanz 37 sm

Zielstrebig liefen wir gegen 0200 in ein dunkles Loch ein, währenddessen die Fischer hier heraus ausliefen. Für uns war es Urlaub, für die Fischer ihr Job.

Gegen das Licht der Ortschaft erwartete uns dort eine recht große Schwimmsteganlage. Auf dem Weg dorthin allerdings auch ein paar Ankerlieger und Mooringlieger. Natürlich unbeleuchtet. Wir machten längsseits an der Innenkante des Kopfsteges fest. Hier fanden wir zwar Trinkwasser leider jedoch kein Strom. Daran änderte auch nix der Gang zum Schaltkasten oben an der Laterne.

Wie in alten Zeiten nahmen wir Ossi und Bier als Anleger und diskutierten den Wetterbericht. Wann geht es für uns weiter? Wir stellten fest, dass wir nunmehr viel zu früh ausgelaufen waren, sich also unser Fenster erneut verschoben hatte. Einvernehmlich einigten wir uns auf ein wiederholtes Auslaufen um 0600.

14.07.2020 Dienstag I Cap Finisterra (Spanien) Logge 2079 sm – auf See

Schnell gingen wir für eine Mütze Schlaf in die Kojen, es war bereits 0300. Dann um 0600 standen wir wieder an Deck. Es war schon hell, die Sonne allerdings war noch nicht aufgegangen. Der Wind hatte sich beruhigt, wehte mit etwa 4 Bft aus Nord. Wir starteten den nächsten Versuch gen Norden zu kommen und die Qualle nach Wismar zu überführen.

Aus den Erfahrungen dieser Nacht änderten wir unser Wachsystem von rollender Wache auf das klassische Wachsystem nach Glasenuhr. Dabei übernahmen Berni, Finn und ich die drei festen Hauptwachen. Berni 2000 - 0000, ich die Hundewache 0000 - 0400, um Louisa in die Koje bringen zu können und auch beim Aufstehen für sie da zu sein, Finn zwischen 0400 – 0800. Der Rest unserer Besatzung rollte weiterhin im 2-Stundenrhythmus, so dass man stets Kontakt zu anderen Wachbegleitern hatte. Das sorgte zugleich für einen entsprechenden Informationsaustausch.

Mit Maschine gingen wir vorerst gegenan, hielten auf das Verkehrstrennungsgebiet zu. Aber wie würde es an der Nordwestspitze Spaniens weitergehen? Nach Osten nach A Coruna oder nach Nordwest auf den Atlantik. Finn und ich sprachen uns für die Festlandroute aus, Berni hingegen wollte sich auf dem Atlantik freisegeln, um dem gelbraunen Windauge zu entkommen. Der Plan war gut, nur klappen musste er. Los gings, weshalb wir um 1130 den Fisherman setzten.

Ab Mittag nahm der Wind aus Nord stetig zu, wehte gegen 1400 schon mit einer 7, um sich noch weiter zu steigern. Gegen 1520 erreichten wir das Verkehrstrennungsgebiet, nahmen um 1630 den Klüver weg. Um 1800 machten wir eine Wende auf 075°, hatten dabei schon eine Windstärke 9 mit 3,5 Meter See zu verzeichnen. Die Windstärke war keine Schätzung als vielmehr das Messergebnis aus dem Top des Großmastes. Um 2020 dann nahmen wir unser gerefftes Großsegel runter. Schlussendlich liefen wir nur noch mit Fock und Stagsegel, währenddessen die Maschine für ein wenig Vorschub sorgte.

Abends aßen wir unseren vorgekochten Linseneintopf an Deck. Wind und Welle strapazierten unsere Toleranz. Louisa saß noch gut gelaunt unten in der Bootsmannskabine und schaute hemmungslos Tablet. Appetit allerdings hatte sie keinen mehr. Weder fest noch flüssig. Viele andere von uns besuchten immer wieder die Leeseite, genossen die Linsen ein weiteres Mal. Auch ich. Dennoch war ich nicht Seekrank und sicherte meine Wachen. Vielmehr spürte ich Angst, Angst, am Limit zu sein. Das Wetter ging die Nacht so durch, nichts wurde weniger… außer der Diesel im Tank. Louisa verordnete ich auch unter Deck Rettungswestenpflicht. Selbst beim Schlafen. Sicher ist sicher. In diesen Stunden machten wir auch wieder eine Wende zurück mit Kurs auf NW/NNW.

15.07.2020 Mittwoch I Cap Finisterra (Spanien) - auf See

In meiner Hundewache nahm der Wind auf immerhin noch zwischen 6-8 Windstärken etwas ab, wehte aus NNE. In den Morgenstunden nach ein wenig Schlaf fragte ich Berni, wann wir denn nun die Wende in Richtung Kanal machen würden. Auf unserem jetzigen Kurs mit etwa 320° entfernten wir uns immer mehr von diesem.

Die Stimmung war angespannt. Welche Alternativen gab es für uns? Wie solle es weitergehen? Der letzte Wetterbericht traf eine etwas andere Prognose und einen aktuelleren Bericht bekamen wir trotz Satellitentelefon nicht ran. Wir waren auf uns allein gestellt.

Vor diesem Hintergrund machten wir mit ein paar Mann eine Wende. Genervt stellte Berni allerdings schnell fest, dass wir so noch nicht einmal die Höhe von Brest bekämen. Einzige Option schien es zu sein, weiter nach A Coruna abzufallen. Dorthin müssten wir jedoch durch das von uns so gefürchtete Windauge und alles bisher Erreichte wäre umsonst, da wir dann auf unabsehbare Zeit dort festlägen…

In Abwägung dieser Alternativen machten wir nur einen kurzen Augenblick später eine Wende zurück, sprich in Richtung Generalkurs 320°. Wir mussten weiter nach Norden, um aus dem starken NNE/NE Wind zu kommen. Zudem hatten wir eigentlich nach unserem letzten Wetterbericht langsam moderateren Nordwestwind zu erwarten, der uns in den Englischen Kanal schieben müsste. Drum also alles auf eine Karte gesetzt, so die Devise. Um 1000 hatten wir die spanische Borderline überschritten. Immerhin beruhigte sich unser Wind ab etwa 1600 auf nur noch 5-6 Windstärken, so dass auch die Welle ein wenig auf nur noch 2,5 Meter abnahm. Das Schlimmste schien überstanden, allerdings war der Status quo immer noch genug für Mensch und Material. Dennoch war es höchste Zeit, unseren Seewasserfilter für das Kühlwasser der Maschine zu reinigen und Maschinenöl nachzufüllen.

Abends kochten die 4 Jungs Spirellis für das von mir angesetzte Pesto. Im Ergebnis waren alle satt und glücklich. Auch Louisa, der es auch nicht mehr ganz so gut ging, noch nicht einmal mehr Tablet schauen wollte sie. Stattdessen klammerte sie sich bei jeder Gelegenheit nur noch an mich und wollte stets kuscheln, gar weg hier, nach Hause. Es tat mir leid, ihr erklären zu müssen, dass das gerade jetzt nicht möglich war…

16.07.2020 Donnerstag I Cap Finisterra (Spanien) - auf See – westlichster Punkt

Täglich grüßte das Murmeltier. In meiner Hundewache mit Frank zeigte sich das Wetter an unserer Stelle des Atlantiks weiterhin grau in grau und stark bedeckt. Zugleich oft Regen und Sprühregen. Die Sicht war demnach sehr schlecht. Der Luftdruck war zwar auf 1024 hpa gestiegen, dennoch wehte der Wind unverdrossen aus NNE/NE mit nur noch 4-5 Windstärken. Auch die See pegelte sich auf moderate 1,5 Meter ein, war also erträglich geworden. Am Ende meiner Wache um 0400 zeigte unsere Logge 2283 sm, insofern hatten wir bereits seit dem Ablegen in Cap Finisterra (Spanien) 204 sm zurückgelegt. Und das bei diesem Wetter hoch am Wind, fast gegenan. Augenblicklich machten wir gute 4,8 kn Fahrt.

Aber die Maschine tat noch immer fleißig ihren Dienst, drückte mit. Ansonsten würden wir die Höhe auf keinen Fall halten können. Unser Plan wäre extrem gefährdet.

Mit dem Wachwechsel durch Berni um 0800 setzten wir entschlossen Vollzeug, um nur zwei Stunden später, also um 1000 wieder eine Wende zu versuchen. Unser Wendewinkel war 92°, insofern liefen wir nur 72° rechtweisend maximale Höhe. Für uns und unseren ambitionierten Plan zu wenig. Unser Versuch dauerte nur eine Stunde an. Um 1100 legten wir wieder alles um und gingen auf den alten Generalkurs um 320° rechtweisend zurück. Zwischenzeitlich wehte der Wind nur noch mit 3 Windstärken, nahm erst zum frühen Abed wieder etwas zu.

Unsere vorbereiteten Speisen neigten sich dem Ende und gegen unseren Hunger mussten wir etwas unternehmen. Deshalb gingen Tim und ich unter Deck und kochten ein herzhaftes Chili aus dem letzten Mischhack. Anfangs hatten insbesondere die Jungs einen ausgeprägten Hunger, der sich dann jedoch langsam relativierte.

Dann 2300, in der Wache von Berni, die entscheidende Wende in Richtung Kanal auf etwa 70° rechtweisend. Wir hatten unseren westlichsten Punkt erreicht: ? 46°14,329‘ N und ? 013°38,789‘ W. Das bedeutete, dass die Südspitze Irlands schon nordnordöstlich von uns lag und wir mit absolutem Nordkurs genau auf Island getroffen wären. Schon beeindruckend, ein richtiger Gänsehautmoment da draußen. So weit waren wir mit der Qualle noch nie von Land entfernt… Zur Begrüßung meiner Wache bekam ich von Berni einen frischen GT serviert. Jetzt musste im schlimmsten Fall nur noch der Diesel reichen…

17.07.2020 Freitag I Cap Finisterra (Spanien) - auf See

Der Tag begann für mich wie immer mit der Hundewache. Zuerst mit Paule und dann zwei Stunden mit Philipp. Er hatte heute seinen 18. Geburtstag, weshalb ich ihm herzlich gratulierte.

Der Luftdruck fiel im Laufe des Freitags von 1025 hpa auf 1021 hpa, währenddessen der Wind von N auf NE drehte und mit einer geschmeidigen 3-4 wehte. Nur am Nachmittag und am frühen Abend reduzierte er sich auf nur noch zwischen 2-3 Bft. Dafür saßen wir dann auch immer wieder im Sprühregen. Wie auch die Tage zuvor waren weder Sterne noch der Mond am Himmel zu sehen. Absolute Finsternis. Zum Wachbeginn Generalkurs noch immer 70°und die Logge bezifferte 2380 sm, also waren wir unserem Ziel Wismar wieder knapp 100 sm nähergekommen.

Am Tag noch immer grau in grau. Später kam dann sogar die Sonne raus und mit ihr all die feuchten Matratzen, Laken und Klamotten. Zum Trocknen versteht sich. Zu Beginn meiner Mittagswache zogen wir um 1200 den Fisherman hoch. Gegen 1800 kochten wir frische Nudeln und wärmten das Chili noch einmal auf. Resteverwertung. Nur nix wegschmeißen. Paule zauberte uns einen leckeren Schokopudding nebst Vanillesoße. Gut gesättigt tauschten wir um 1845 den kleinen gegen den großen Klüver.

Beim Abwaschen der Schüsseln zwischen den beiden Gängen begleiteten uns Wale. Die Besatzung versammelte sich an Deck zum Whalewatching. Danach gegen 2100 ab in die Koje. Vorbereitung für die anstehende Hundewache. Erst Einschlafkuscheln mit Louisa und dann nach oben in meine eigene Koje, ein wenig ruhen.

18.07.2020 Samstag I Cap Finisterra (Spanien) - auf See

Nach gut vier Tagen auf See gingen Louisa und ich nach einem kleinen Frühstückchen in die Dusche. Sie nahm zwei Nutellabrote und ich wärmte mir noch ein wenig Chili auf, schärfte nach und rundete mit Kreuzkümmel ab. Nicht jedermanns Sache. Satt und frisch geduscht starteten wir mit einem völlig neuen Lebensgefühl in den Tag.

Die Bewölkungen lösten sich auf und die Sonne setzte sich durch. Der Atlantik kam glattgezogen daher und offenbarte so weitere Begleiter unseres Weges. Delfine und Walen kannten wir ja nun schon, nun konnten wir auch einen Hai beobachten. Zu erkennen an seiner Heckflosse, die senkrecht steht und nicht waagerecht wie bei einem Wal.

Um 1230 nahmen wir den großen Fishermann hoch und versuchten gegen 1300 dann auch noch mit dem Genacker unseren Vortrieb gen Heimat zu pimpen. Doch dieser wollte nicht so recht, so dass wir ihn etwa eine halbe Stunde später wieder bargen, eintüteten.

Fast drei Wochen hatte ich das Küchenleben maßgeblich gezeichnet, nun kamen die undefinierten Joker und Reserven zum Tragen. Allerdings wollte ich diese nicht verantworten, hatte auch keine passende Idee. Insbesondere weil ich Bernis, Finns und meine eignen Ansprüche ans Essen kenne. Meine Intention war es daher, dass an diesem Tage eher die kochen sollten, die diese Platzhalter auf dem Essenplan etablierten und auch nur unverbindlich ohne Angaben von Zutaten und deren Mengen einkaufen ließen, schließlich hielten es die beiden noch nicht einmal für erforderlich, den Supermarkt überhaupt zu betreten. Drum kochten an diesem Tag Annemarie und Frank.

Ihr Versuch waren zermatschten Bratkartoffeln an einer Gemüsepfanne. Diese war jedoch eher einer Gemüse-/Tomatensuppe zuzuordnen. Die Kartoffeln waren dafür nicht nur bei den vier jungen Wilden viel zu wenig, weil sofort alle. Frank war der Auffassung, hinsichtlich der Menge lieber Punktlandungen zu erzielen, so dass nix übrigbliebe. Schade, belehrten uns die vergangenen Tage und Nächte eines Besseren, nämlich, dass durch die verschiedenen Wachen zu jeder Gelegenheit gegessen wird. Insbesondere, wenn das Essen lediglich erwärmt werden musste. Zudem wären noch nicht einmal für Annemarie Kartoffeln da gewesen. Frank hatte „Glück“, denn Annemarie aß noch nicht einmal ihr eigens gekochtes, fleischloses Abendbrot. Ein Offenbarungseid?

Das Wetter ganz sommerflau lud nach dem Abwasch zu Spielen wie Phase 10, Chips und Schokolade an Deck ein. Seit dem Nachmittag drehte der Wind endlich über Nord auf westliche Richtungen. Das Knüppeln sollte tatsächlich ein Ende haben, hatten wir uns das nach unserem Kampf über die Biscaya wirklich verdient. Währenddessen Louisa und ich in die Koje verschwanden, genossen die anderen den Sonnenuntergang auf See.

19.07.2020 Sonntag I Cap Finisterra (Spanien) - auf See

Meine kleine Tochter, Louisa, hatte die gute Laune des Abends genutzt und sich die Teilnahme an meiner Hundewache gesichert. Sie war voller Hoffnung, Sterne zu sehen. Jedoch war das angesichts der Bewölkung in den Nächten zuvor leider nicht zu erwarten. Eingemummelt in unzähligen Klamotten, in Ölzeug, in Rettungsweste und mit der Lifeline gesichert gingen wir zusammen ans Ruder. Unterstützt erst von Tim und anschließend von Paule.

Um 0000 zum Beginn unserer Hundewache stand unsere Logge bei 2629 sm, der Wind wehte bei einem Luftdruck von relativ gleichbleibenden 1018 hpa mit etwa 3 Bft aus WNW. Wir machten daraus gute 5 kn Fahrt.

Schon nach einer schnellen Stunde unserer Wache stellte sich, wenn nicht Hunger, dann zumindest Appetit und Fleischesslust ein, weshalb ich das noch restliche Chili für Tim und mich erneut aufkochte. Einen weiteren Tag würde es wohl nicht überstehen und ehe es schlecht würde…

Sterne zeigten sich für Louisa immerhin temporär. Und auch Schiffsverkehr stellte sich allmählig wieder ein. Schwuppdiewupp war Louisas erste Hundewache ihres Lebens erfolgreich bestritten, so dass wir um 0430 die Borderline zu Frankreich überschritten und die Gastlandsflagge setzten.

Gegen 0845 erwachte ich und kochte einen Kaffee. Noch immer kein Land in Sicht. Dafür jedoch fette graue Wolkenfronten, die sich dann nach dem Setzen von Großsegel, großem Klüver und dem großen Fisherman über uns ergossen. Willkommen im Norden!

Zu Beginn meiner Mittagswache um 1200 dann, kontrollierten wir Öl an der Maschine, füllten bis zum Maximum auf. Zudem nahmen wir den großen Klüver runter, um den Genacker zu entfesseln. Leider Vergebens, denn der Wind, der weiter auf West gedreht hatte, schralte extrem und so konnte der Genacker seine Kraft nicht wirklich entfalten. Wir tauschten wieder zurück, die Uhr zeigte 1245.

Im Nachgang unserer Maschineninspektion berichtete Berni mir, dass wir noch etwa 210 Liter Diesel in den Tanks hätten, weshalb wir unbedingt nach Roscoff (Frankreich) in etwa 120 sm müssten, um dort wieder Kraftstoff zu bunkern. Roscoff befindet sich am „Eingang“ des Englischen Kanals.

Gegen 2030 brüllte Berni laut „Land in Sicht“, als ich mit Louisa bereits in der Koje lag. Verschiedene Gedanken schossen mir in den Kopf. Nun lag die Biscaya also definitiv hinter uns. Wir haben hoch gepokert, alles auf eine Karte gesetzt und nur so unser Ziel erreicht. Die 9 Windstärken auf der Biscaya nebst der 3,5 m See nehmen wir alle irgendwie mit. Jeder auf seine Weise. Sie waren für die Qualle und uns eine absolute Herausforderung, eine Dauerbelastung über ganze zweit Tage lang. Und wenn wir trotz diverser Wetterberichte und respektvoller Planung dennoch mitten drin hingen, war Aufgeben noch nie eine Option für uns auf der Qualle. In den vergangenen knapp 30 Jahren nicht.

20.07.2020 Montag I auf See - L'Aber Vrac'h (FRA) Logge 2803 sm I Distanz 724 sm

Zu meiner Nachtwache waren wir bereits im englischen Kanal. Die Logge zeigte 2754 sm. Der Strom war mit uns, der Wind kam mit 5-6 Windstärken eher aus NE. Wir schafften gerade so einen Anlieger, um ab der ersten Untiefentonne weiter abfallen zu können. Die Tonnen hier im Kanal waren riesig.

Die Nacht war sternenklar aber dunkel. Viel Schiffsverkehr und zivilisiertes Licht an den Küsten. An der „Eisernen Hand“ hatte Berni am Tage beim Segeln Einstellungen verändert, um deren Ruderkorrekturen zu reduzieren und somit Strom zu sparen. Im Ergebnis konnte ich sie mit Strom, Wind, Drift und Maschine nun nicht korrekt nutzen. Scheinbar zu viele Fremdeinflüsse für die Eiserne Hand. Plötzlich steuerte sie mich auf das französische Festland zu, dass ich sofort bemerkte und entsprechend Gegenruder gab. Leider erfolglos, die Eiserne Hand setzte meine Befehle nicht richtig um.

Um 0045 besann ich mich auf das eigentliche Handwerk und steuerte die Qualle von Hand. Leider war der Kompass trotz Beleuchtung nicht ablesbar, weshalb ich mich mit dem Klüverbaum an den Sternen orientierte und auf dem Plotter schaute, was rechtweisend bei rauskam. Die französische Coast Guard funkte uns dann auch noch an, wer wir sind und warum wir wohin wollen. Unsere Erklärung schien Legitimation genug, sie ließen uns ziehen. Meine Wache mit Philipp und Jakob war vorüber. Ich genoss um 0415 allein im Salon den ersten Netzempfang am Handy und einen GT mit frisch gelegten Eiswürfeln. Das Highlight der Nacht hatte ich mir wirklich verdient.

Unser Ritt durch die Nacht war gut, deshalb stand noch immer Roscoff auf dem Plan. Finn hatte die Wache mit seiner Freundin, Lisa, übernommen. Allerdings wurde es ab 0500 wieder zu eckig für uns. Zudem stand die Frage nach der Reichweite unseres Diesels ganz aktuell im Raum. Aus dieser Gesamtgemengenlage heraus entschieden Finn und Berni Ruder zu legen und zurück nach L'Aber Vrac'h zu laufen. Hier sollte es eine Bunkerstation geben. Um 0530 machte Finn die Maschine aus, um Kraftstoff zu sparen. Um 0730 startete er diese wieder, um dann sicher ins Fahrwasser von L'Aber Vrac'h einzulaufen.

Louisa und ich lagen noch in unserer warmen molligen Koje, als die Maschine wieder ausging. Plötzlich stand Frank in meiner Kojentür. Ich möge bitte schnell an Deck kommen. Dort nur leicht bekleidet angekommen, zeichnete sich eine brenzliche Situation. Der Diesel sei alle, weshalb die Maschine ausging. Unweit von uns Untiefenbaken, Felsformationen und ein enges Fahrwasser. Was tun? Erst einmal Segel wieder hoch, um Fahrt im Schiff zu haben und manövrieren zu können. Gleichzeitig sprach Berni einen französischen Fischer und ein gut motorisiertes Schlauchmotorboot auf Englisch an, bat um Abschlepphilfe. Doch beide gaben uns nicht das Geringste an Hilfe. Weder Schlepp noch Diesel.

Wieder waren wir - obwohl so dicht an der Zivilisation - auf uns allein gestellt. Ich schaute mir den Vorfilter an der Maschine an. Der war mit Dreck von unseren Schiffsbewegungen vollgesetzt. Tim und ich schafften uns an der Maschine Baufreiheit, bauten die Verkleidungen ab, um sofort den Filter zu reinigten, die Anlage wieder zusammenzubauen und zu entlüften. Uns lief warmer Diesel über die Hände. Also war der Tank nicht leer. Unmittelbar vor dem Anleger nahmen wir die Segel wieder runter und starteten die Maschine. Sie sprang tatsächlich an. Im Logbuch der Qualle stand später geschrieben: „Gute Leute muss man haben!“

Wir bunkerten sofort Wasser und 1040 Liter Diesel an der Selbstbedienungsstation, spannten den Keilriemen der Lichtmaschine. Um 1200 lagen wir fest an unserem Liegeplatz, zahlten für die Nacht 57,10 € Liegegeld.

Die vier Jungs gingen noch einmal zum etwa 2 km entfernten Kaufmann, erledigten Besorgungen für die letzten Tage an Bord und telefonierten ohne Ende. Morgen Ablegen gegen 1100. Ziel: Brunsbüttel. Wir werden sehen…

… und plötzlich lag an Deck in der Sonne ein abgebrochener Edelstahlbolzen nebst Sicherungssplint. Das große Suchen begann, hatten wir alle sofort das gebrochene Vorstag vom Großsegel vor Augen. Routiniert stieg Philipp erneut auf, diesmal jedoch in den etwas niedrigeren Schonermast. Nix zu sehen. Erst jetzt verriet uns Frank, der an Deck alles absuchte, dass der Bolzen von der Umlenkrolle der Backstages des Schonermastes Backbordseite stammte. Auch das reparierten wir prompt.

Abends kochten Lisa und Finn wieder ein Putencurry. Die Jungen und Wilden feierten Party bis morgens um 0400. Die seriösen Väter hingegen gingen bereits um 2200 in die Kojen, ersparten sich eine Rübe.

21.07.2020 Dienstag I L'Aber Vrac'h (FRA) Logge 2803 sm – auf See

Gegen 0825 ging Philipp von Bord, musste spontan heimwärts. In Wismar galt es, dringende Probleme zu lösen. Seinen Bus nach Brest hatte er als Spätfolge der Decksparty fast verpasst.

Der Himmel wolkenlos sonnig. Der Luftdruck war zwischenzeitlich auf 1023 hpa geklettert. Dennoch wehte der Wind wieder mit 5 Windstärken aus NNE. Also gegenan. Für uns absolut kontraproduktiv. Insbesondere wegen der Tide und Strom in Kombination mit dem Wind.

Ich bereitete das Frühstück vor, währenddessen Frank die frischen Baguettes besorgte. Unmittelbar danach brachen Lisa und Finn noch einmal zum Einkaufen auf, so dass wir erst um 1200 wieder ablegen konnten.

Von L'Aber Vrac'h ging es bei Vollzeug via Kreuz auf die Mitte des Englischen Kanals, um Wind und Strom von bis zu 3 kn optimal für uns zu nutzen. Zwischenzeitlich stellten wir um 1400 die Bordzeit auf die MEZ um.

Erst sehr spät am Abend, es war gegen 2030, gab es Franks Spirellis an Carbonara mit echter Coca Cola. Satt ging es mit Louisa in die Koje. Schon wieder hing sie mir in den Ohren, zusammen mit mir auf Hundewache zu gehen. Denn der Wind hatte bei gleichbleibender Windrichtung NNE/NE rapide auf nur noch 1-2 Bft. abgenommen.

22.07.2020 Mittwoch I L'Aber Vrac'h (FRA) – auf See

Neben Louisa begleiteten mich auch Paule und Jakob zur Hundewache. Gemeinsam tranken wir Cola, um uns zu puschen. Der Wind hatte in den Stunden der Wache von Berni vor Mitternacht wieder bis zur 4 zugenommen. Dennoch blieben besondere Vorkommnisse auf unserer Wache aus.

Der Wind nahm im weiteren Verlauf nach unserer Woche rapide ab und drehte dabei klar östlicher. Zudem sank der Luftdruck auf 1018 hpa. Wir hatten alle Segel oben, die See glatt. Berni improvisierte aus dem restlichen Reis von Abendbrot zwei Tage zuvor und zauberte eine Onkel Benz Mixpfanne als Frühstück. Gammeln auf allen Decks.

Aber wer würde wohl das Abendmahl kochen? Niemand mühte sich. Es war bereits 1830. Seit dem Frühstück nix mehr gehabt. Auch Louisa schob langsam Hunger. Und ehe sie mit mir gegen 2000 in die Koje gehen würde, sollte sie zumindest satt sein. Deshalb erinnerte ich mich, dass auch noch einmal ganz ordinäre Tomatennudeln auf dem Essensplan standen.

Als ich begann, den Knoblauch und die grobe Salami, die niemand auf dem Brot mochte, anzubraten, kamen Frank und Paule mit der typischen Frage, ob sie helfen könnten… Ich lehnte ab, um schnell fertig zu werden, ehe ich mich ständig erklären müsste, was jetzt noch zu tun sei.

Alle am Salontisch unter Deck sitzend, nahm das Drama seinen Lauf. Alles stand auf dem Tisch, doch leider begann niemand, erst die Nudeln und dann die Tomatensoße aufzutun. Auch hierin ergriff ich die Initiative. Mein erster Teller, den ich mit Spaghetti auftat, war gut gefüllt, als Berni in einem vorwurfsvollen Ton nebst provozierender Mimik die Fülle bemängelte. Alles zusammen vermittelte mir den Eindruck ich sei dämlich… nun konnte ich nicht mehr an mich halten. Das ewige Kritisieren, Bewerten und Verbessern, die unzähligen Vorwürfe aus seiner eigenen Unzufriedenheit heraus waren für niemanden motivieren. Vielleicht ein Grund, weshalb niemand die Kochinitiative ergriff, stattdessen wieder einmal ich es tat. Drum war ich nicht bereit, mich so anblubbern zu lassen und blubberte zurück. Dabei ging leider ein Teller zu Bruch. Kurzzeitiges, absolutes Schweigen an Bord bis Finn vom Ruder kam und erneut ein kurzes „Kapitänsstatement“ zum offensichtlichen Bordkollaps abgab. Nach dem Abendbrot suchte ich dennoch das klärende Gespräch mit Berni, wir tauschten unsere Standpunkte im Hauptverkehrsgang der Qualle aus. Niemanden blieb es verborgen. Anschließend gingen Louisa und ich für eine gute Hundewache in die Koje, währenddessen Berni um 2000 Maschinenöl kontrollierte und ein Liter nachfüllte.

23.07.2020 Donnerstag I L'Aber Vrac'h (FRA) – auf See

Hundewache zuerst mit Annemarie und dann mit Frank. Keiner griff den Vorfall vom Abendbrot auf, um ihn aufzuarbeiten. Stattdessen Smalltalk. Ich hatte nichts anderes von ihnen erwartet.

Nach meiner Hundewache überquerten wir um 0449 den Nullmeridian, fuhren seither ausschließlich ostwärts. Leider machte sich der Wind an diesem Tag sehr rar, drehte dabei von Nordwest über West auf Südwest.

Während meiner Mittagswache ging das Fett zum Schmieren des Stevenrohrs unserer Welle zur Neige. Demnach mussten wir die Fettpresse mit Feingewinde mit Fett aus dem Eimer um 1415 nachfüllen. Das ist schon immer eine kleine Sauerei in der Küche. Und auf keinen Fall, durfte der kleine Nippel in die Bilge und somit hinter die Innenwegerung fallen. Ersatz auf See gab es hierfür nicht.

Unser Plan war es, Matze, einen Freund aus Wismar, der mit seinem Schiff dorthin wollte, wo wir herkamen, an einer Ansteuerung zu treffen, ihm dort unser Satellitentelefon, einen Kompass und unseren Müll zur Entsorgung im Hafen zu übergeben. Hierzu hielten wir uns unmittelbar am Rand eines Verkehrstrennungsgebiets, jedoch auf den digitalen Karten klar ersichtlich, außerhalb. Dennoch wurden wir seitens der französischen Landfunkstation mit einem schlechten Französischenglisch aufgefordert, uns hiervon klarer zu entfernen. Wirklich schwierige Konversationen. Finn wälzte sogar die KVR, um die Ausführungen der Franzosen nachvollziehen zu können. Dabei wurde schnell klar, dass unsere 25 Meter Schiffslänge – die auch das AIS übermittelte – für Diskrepanzen sorgte. Um 1700 ging dann unser Plan an der Ansteuerung von Boulongne-Sur-mer in Erfüllung. Warentausch auf See. Denn wir bekamen von ihm eine Flasche dringend benötigten Gin. So kann man sich richtige Schmugglerarbeit vorstellen.

Um 1930 hatten wir Calais (Frankreich) und Dover (England) an der engsten Stelle des Kanals jeweils querab. Das Rappeln in der Essenskiste am Tag zuvor zeigte Wirkung, übernahmen Tim und Paule das Kochen. Sie probierten sich noch einmal an ihren Senfeiern, wobei sie sich für die Mehlschwitze die Unterstützung von Frank einholten.

Wohlgesättigt verschwanden Louisa und ich in unsere Kojen.

24.07.2020 Freitag I L'Aber Vrac'h (FRA) – auf See

Um Mitternacht zu meinem Wachantritt zeigte unsere Logge 3135 sm. Der Wind stand stabil mit 7 Bft aus SW. Der Luftdruck war auf nur noch 1010 hpa gesunken und würde im Laufe des Tages auch noch weiter bis 1009 sinken. Der Himmel zeigte sich absolut bedeckt, die See war mit nur 1 – 1,5m milde zu uns. Wir hatten Vollzeug oben.

Tim und Paule begleiten mich zu meiner Hundewache. Zwischen Brügge (Niederlanden) querab und dem Delta von Rotterdam ging es darum, maximale Tiefe zu laufen. Und das zwischen Verkehrstrennungsgebieten, Lotsenverkehr, Reeden mit ihren Ankerliegern und unzähligen Untiefentonnen. Um 0300 riss uns vorwind die Schot des kleinen Fishermans, den wir sofort runternahmen.

Als wir eines dieser Fahrwasser kreuzen mussten, wurden wir sogar von der Landfunkstation angesprochen, dies mit dem Hauptverkehr abzustimmen. Obwohl wir Segler sind. Das sorgte schon für etwas Verwunderung an Deck.

Während der Vormittagsstunden ging der Wind auf West und auf nur noch 3 Bft runter, um am frühen Nachmittag wieder kurzzeitig auf 5 aufzufrischen. Dann pegelte er sich auf 3-4 Windstärken ein und drehte auf SW. Wir kreuzten vor dem Wind.

Gegen 1330 bemerkten wir bei unseren regelmäßigen Rundgängen an Bord, erst nur das Abgas und einen Augenblick später auch das Wasser in der Maschinenraumbilge. Auf der Suche nach der Herkunft stießen wir schnell auf den Lochfraß in einem Edelstahlwinkelstück vom Abgaskrümmer in das Abgasschlauchsystem. Mittels Schlauchschellen und Gummiflicken war das Loch um 1400 schnell provisorisch gestopft. Alles wieder dicht.

Relativ zeitgleich nahm in Ermangelung von Philipp Timm den Lift in den Großmast. Hier sollte er die durch Finn gespleißte Fishermanschot in den Block fädeln.

IJmuiden (Niederlanden) bekamen wir in den darauffolgenden Nachmittagsstunden fast querab. Der Hafen stellte die letzte Chance dar, von Bord zu gehen. Jakob hatte in Folge einer sich unmittelbar anschließenden Urlaubsreise mit der Familie eine dringende Frist einzuhalten. Würde er uns hier verlassen müssen, würden wir zu viel Zeit verlieren, damit auch die Qualle spätestens am Sonntagvormittag in Brunsbüttel ankäme. Im Ergebnis bedeutete das, dass wir alle hier von Bord gehen müssten und Berni, Finn und Lisa mit Annemarie und Frank allein blieben, um die Qualle nach Wismar zu bringen. Berni und Finn wären dann jedoch nur noch die einzigen Segler an Bord. Jakob und ich nahmen Kontakte auf, um die Absprungoptionen mit PKW und Co von IJmuiden auszuloten. Schlussendich wären wir alle von dort weggekommen. Nun lag es ausschließlich in Jakobs Hand. Doch Jakob entschied, wie es schon einmal geglückt war, alles auf eine Karte zu setzen und weiter zu gehen. Demnach mussten wir spätestens Sonntag in Brunsbüttel sein. Der Druck war nun enorm.

In Vorbereitung der kommenden Nacht nahmen wir um 1930 den Genacker weg, tauschten gegen den großen Klüver. So auch um 2000 vom großen auf den kleinen Fisherman geschehen.

Währenddessen meine Tochter mit mir im Salon eine ausgiebige Maumausession absolvierte, kochte Frank Reis an Tonno-Kapern-Sahne-Sauce. Ich hatte nicht gedacht, dass diese mir bekannte Pastasoße auch an Reis durchaus lecker schmeckt.

25.07.2020 Samstag I L'Aber Vrac'h (FRA) – auf See

Angesichts des Geburtstages von Tim kam ich zu meiner Hundewache etwas eher an Deck, um als einer der ersten zum Ehrentag gratulieren zu können. Zudem bat ich Jakob nach einem Blick auf die Karten bis zur späteren Halse vom Steuerbord- zum Backbordbug gegen 0230 zu verweilen.

Zuerst versüßte mir demnach Jakob, dann Annemarie die Hundewache. Der Wind wehte wie angesagt aus südwestlichen Richtungen zwischen 4 und 5 Windstärken. Und das den gesamten Tag lang.

Meine Wache endete mit Regen. Die Wolken entsprechend dunkel über uns. Kein Mond, wenig Sterne zu sehen, kaum Schiffsverkehr entlang der holländischen Inseln Den Heldern und Vlieland.

Zum Frühstück war das Original-französische Baguette schon ganz schön hart. Zudem die Speisekammer schon ganz schön leer. Und in der größten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot. So suchte sich ein jeder das Passende für sich heraus.

Der ganze Tag zeigte sich grau und verregnet. Währenddessen ließen wir auch die ganzen anderen Nordseeinseln bis nach Cuxhaven steuerbord von uns liegen. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass wir das Ziel Brunsbüttel plangerecht erreichen werden. Nun nur keine Zweifel aufkommen lassen!

Niemand ging mehr in die Koje, weil ein Ende unserer Reise in greifbare Nähe gerückt war. Allerdings bewegte sich während meiner Mittagswache auch niemand mehr an Deck. Es regnete ununterbrochen, weshalb ich dort allein im Regen verweilte. Nach knapp vier Wochen Leben an Bord der Qualle, war aber eine Grundreinigung absolut angezeigt. Jeder suchte sich seinen Part. Wie eine professionelle Putzkolonne wälzte sich die Jugend mit Staubsauger, Wischmopp und Lappen bewaffnet durchs Schiff.

Was es als warme Mahlzeit des Tages gab, ist mir leider nicht mehr in Erinnerung. Auch meine Aufzeichnungen geben das nicht mehr her. Noch bei Tageslicht durchquerten wir die Reede von Cuxhaven, liefen bei Nacht und Regen in die Elbmündung ein. Noch immer Vollzeug.

26.07.2020 Sonntag I auf See – Brunsbüttel Logge 3471 sm I Distanz 668 sm

In der Elbe kam uns trotz der nächtlichen Stunden unzähliger Schiffsverkehr entgegen. Wie nicht anders zu erwarten. Auch ein Frachter ohne Posilaternen war dabei. Wir nahmen um 0030 das Großsegel und den großen Klüver runter, um nichts zu übersehen. Der Rest unserer Segel blieb bis kurz vor der Schleuse des NOK stehen. Hier war Finn seit Sommer 2019 beruflich zu Hause, es war sein Revier.

Vor den Schleusen des NOK angekommen, regnete es noch immer wie aus Eimern. Glücklicherweise kamen wir gleich mit der ersten Schleuse durch. Finn hatte scheinbar bei seinen Kollegen ein gutes Wort über UKW für uns eingelegt.

Durchgeschleust war der Yachthafen voll belegt. Ein kleines Stück weiter machten wir an einem Betriebsgelände auf der Nordseites des Kanals um 0510 fest. Wenigstens Strom gab es hier. Dann noch schnell das Sonnensegel aufgespannt, damit es nicht überall durch das ausgetrocknete Holzdeck in die Kojen floss. Während einige noch ein paar Drinks zu sich nahmen, horchten andere schon mal ein wenig am Kopfkissen.

Gegen 0730 saßen wir alle wieder am gedeckten Frühstückstisch im Salon. Der Vater von Jakob brachte frische Brötchen mit und anschließend Tim, Paule und Jakob sicher nach Wismar. Louisa und ich wurden von Katrin und Ralph nach 1.850 sm an Bord via Auto abgeholt. Schön trocken, mit Sitzheizung, warm und gut gepolstert. Zudem musste ich nicht die beiden „Kindersärge“ sprich unsere Reisetaschen zum, über und vom Bahnhof nach Hause zotteln. Ungeachtet unseres Handgepäcks.

Ich war gegangen, mein Freund Ralph, ebenfalls Quallesegler, ist für die letzten Meilen bis nach Wismar aufgestiegen. Einlaufen wollte Berni unbedingt öffentlichkeitswirksam zur Mittwochsregatta. Und auch dieser Plan ging nur ein paar Tage später auf. Erfolg ist planbar.

Nun steht die Qualle in Wismar zum Verkauf: http://www.warnowmarin.de/page4.html#!/-UNBEKANNT-STAGSEGELSCHONER/boote-kaufen/?id=1l9owa8

Euer
Patrick
Berlin Weißensee, 23.10.2020



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