Verein Schmöckwitzer Wassersportler e.V.

Berichte und Bilder von Fahrten

VON BERLIN IN DIE FJORDE NORWEGENS

Vorbereitung und Planung

Als die Seegrenze 1990 endlich auch für DDR-Bürger offen war, segelten wir sofort mit unserem 20er Jollenkreuzer rund um Rügen, besuchten die für uns bisher gesperrten Inseln Ruden und Greifswalder Oie und liefen über Swinemünde zurück nach Berlin. Schnell begriffen wir, dass sich unser Boot für die offene See nicht eignete. Dem Prinzip: "Learning by Doing" folgend, charterten wir 1993 in Nyborg eine Dehler 31, um unsere bisher recht theoretischen seemännischen und navigatorischen Kenntnisse in der Praxis zu testen und zu erweitern. In drei Wochen segelten wir von Nyborg durch den Grönsund nach Bornholm, besuchten die Erbseninseln und kehrten durch den Öresund, das Kattegatt und den Großen Belt über Sejrö, Samsö und Kerteminde zurück.

Als wir im August 1995 unsere Dehler 28 kauften, hatten wir für die nächsten Jahre drei Wunschziele im Auge: Skagen, Bergen und Schottland. 1996, nun mit eigenem Boot, umrundeten wir von Swinemünde durch den Öresund und das Kattegatt segelnd die Südspitze Jütlands und kehrten über Thyborön, um auch einen Eindruck von der Nordsee zu bekommen, durch den Limfjord nach Berlin zurück.

Nachdem wir im Winter Törnführer, Seekarten, Hafenhandbücher und Gezeitentabellen studiert hatten, nochmals Kreuz- und Deckpeilungen geübt, unser Boot noch mit einem Autopilot ST 4000, einem UKW-Sprechfunkgerät mit automatischem SOS-Notruf, einer Rettungsinsel und einem Buganker aufgerüstet hatten, glaubten wir uns fit für die Reise nach Norwegen. Die geplante Route sollte von Swinemünde durch den Öresund, das Kattegatt und Skagerrak und dann entlang der norwegischen Westküste über den inneren Weg nach Bergen führen. Auf dem Rückweg wollten wir dann, falls die Zeit noch reichte, den Hardanger- und Lyseford aufsuchen.

Das größte Problem bei der Vorbereitung auf die Reise war unser Skyeterrier Strupps, ein erfahrener Seehund, auf dessen Gesellschaft wir nicht verzichten wollten. Allen Hundebesitzern sei gesagt, es ist kompliziert, aber möglich, Hunde nach Norwegen und Schweden mitzunehmen. Die erforderlichen Schritte müssen etwa fünf Monate vorher eingeleitet werden. Die notwendigen Unterlagen erhält man über die entsprechenden Botschaften.

Von Berlin über die Ostsee

Wir starteten am 3 1. Mai in Berlin, um noch vor Beginn der Ferienzeit den größten Teil der Hinreise bewältigt zu haben. Bereits nach drei Tagen war Swinemünde erreicht, und wir freuten uns auf den ersten Segeltag. Leider empfing uns die Ostsee mit einer Totenflaute, so daß wir bis Saßnitz weiter motoren mußten. Dann lief aber alles nach Wunsch. Der Wind drehte von West auf Ost und Südost, so dass wir bis Läsö eine schnelle Reise bei drei bis sechs Beaufort hatten. Am 9. Mai legten wir um 07.00 in Osterby/Läsö ab und wollten nach Skagen. Auf dem Skargerrak Um 11.00 Uhr hatten wir Skagen an Backbord und freuten uns schon auf die frischen Garnelen, da hörten wir im Wetterbericht, dass die Südostströmung zu Ende gehen und morgen der Wind im Skagerrak auf Südwest bis West und dann auf Nordwest drehen solle.  Wir beschlossen, bis Kristiansand weiterzusegeln. Es war keine weise Entscheidung. Bereits gegen 16.00 Uhr dreht der Wind auf Südwest und frischt auf. Um 19.30 Uhr banden wir zwei Reffs ins Großsegel und versäumten es, die Sturmfock zu setzen. Später sollten wir nicht mehr dazu kommen, da das Vorschiff ständig überspült wurde. Die ganze Nacht hindurch wehte es mit teilweise über sechs Beaufort. Die Wolken jagten dicht über dem Masttop. Die Sicht sank unter 500m. Da wir nicht über Radar verfügen setzten wir in Abständen Securite-Meldungen ab und erhalten auch Antwort. Die Höhe der Dünung und der Windsee überschritten alles, was wir bisher erlebt hatten. Es war gut, dass wir das zu Anfang unseres Törns erlebten. Es erhöhte unser Vertrauen in unsere SIRRAH ins beinahe Grenzenlose und erschütterte das Zutrauen in Wetterberichte gründlich. 

Norwegen in Sicht

Norwegen voraus

Norwegen empfing uns mit Sonnenschein und warmem Wetter. Die felsige Küstenlinie aus dem Nichts auftauchen zu sehen, ist schon ein besonderes Erlebnis. Die Einreiseformalitäten für unseren Hund erledigte der Zoll schnell und unbürokratisch. Nie wieder fragte uns jemand nach Papieren. Bei der Ansteuerung norwegischer Häfen ist das größte Problem das Lesen der Sportbootseekarten. Die Vielzahl der Details ? winzige Schären und kleine Felsbuckel, gleich neben grundloser See ?, machen die Karten unübersichtlich. Eine gute Lupe empfiehlt sich. Zum Glück lösen sich viele Probleme in der Realität auf. Trotzdem, nur nach Sicht zwischen den Inseln und Schären zu navigieren, kann fatal werden, da sie sich gegenseitig abdecken und man sie nur durch genaue Ortsbestimmung eindeutig identifizieren kann.

Ziel Bergen

Farsund

Wir segelten nun von Kristiansand in nordwestlicher Richtung entlang der norwegischen Küste. Auf Grund der regen Schifffahrt, die sich wegen des Tidenstroms dicht unter der Küste hält, hielten wir immer einen Abstand von fünf bis zehn Seemeilen zur Küste. So hatten wir auch keine Probleme mit den Schnellfähren und den durch ihre Seegangsreflexionen berüchtigten Seegebiete. Immer wieder bei Landfall trieb uns die Anzeige des Echolotes die Schweißperlen auf die Stirn, wenn ? nachdem den ganzen Tag bei 300 bis 600 m Wassertiefe nur Striche zu sehen waren ?plötzlich 20m im Display aufleuchteten. Dabei segeln wir in Berlin ständig auf drei bis vier Meter und fühlen uns ganz komfortabel. Als wir Tananger erreicht hatten, segelten wir durch den Karm? und Haugesund zur malerischen Insel Espevaer und von dort auf dem inneren Seeweg nach Bergen. Dabei durchquerten wir den Bomlafjord und den Langenuen und sahen im Hafen Leirvik zum ersten Mal im Hintergrund schneebedeckte Berge. Nachdem wir uns bei der Ansteuerung von Bergen, aufgrund der vielen Eindrücke und der daraus resultierenden Unaufmerksamkeit versegelt hatten, im militärischen Sperrgebiet zwischen aufgetauchten U?Booten umherirrten und dabei keinerlei Aufmerksamkeit erregten, stellte das GPS und die Seekarte die Orientierung wieder her, und wir erreichten problemlos den Hafen. Bergen ist eine Stadt, deren Sehenswürdigkeiten und pulsierendes Leben einen längeren Aufenthalt verdient hätten, da wir aber noch den Hardangerfjord und den Lysefjord aufsuchen wollten, legten wir nach zwei Hafentagen wieder ab und segelten durch den Lukksund bei mitlaufendem Strom und achterlichem Wind mit über fünf Knoten in den Hardangerjord. Hier hat sich die Gezeitentabelle bezahlt gemacht.

Faszination und Tücke der Fjorde

Maurandanger Fjord, Aufstieg zur Gletscherzunge des Folgefonngletschers

Der Maurangerfjord mit seinen Wasserfällen, die von den um diese Zeit noch schneebedeckten Gipfeln und dem Folgefonngletscher gespeist werden, ist schon ein besonderes Erlebnis. Wir legten bei schönem sonnigen Wetter längs an einem Holzsteg an, fenderten uns gut ab und machten uns auf den anderthalbstündigen Weg zu einer Gletscherzunge des Folgefonngletschers. Die Szenerie ? das im Sonnenlicht türkis schimmernde Eis und das Azurblau des Gletschersees lassen verstehen, warum Kaiser Wilhelm den Maurangerfjord als seinen versteckten Schatz bezeichnete. Bei unserer Rückkehr erwartet uns eine böse Überraschung. Mauranger Fjord, Aufstieg zur Gletscherzunge des Folgefonngletschers

Ein plötzlich einsetzender Fallwind aus Nord drückte uns mit Macht gegen den Steg. In der zunehmenden Welle tanzte das Boot derartig auf und ab, dass wir um die Außenhaut bangten. ? In einer kurzen Abflauperiode legten alle drei zu dieser Zeit im Fjord befindlichen Yachten ab und verließen den Fjord, da bei dieser Windrichtung keine alternativen Anlegemöglichkeiten vorhanden sind. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn es uns nachts oder im Päckchen liegend erwischt hätte. ? Ein nachfolgendes Gespräch mit einem Gletscherflieger ergab, dass zu jenem Zeitpunkt die Wasseroberflächen aller benachbarten Fjorde spiegelglatt waren. Das illustriert die Gefährlichkeit der Fallwinde. Der Zeitpunkt ihres Auftretens, ihre Richtung und Stärke lassen sich nicht vorhersehen. Zu Anfang passierte es uns immer wieder, dass wir übertakelt waren. Es empfiehlt sich, da man der landschaftlichen Schönheit wegen ohnehin nicht langsam genug segeln kann, immer ein Reff mehr als notwendig einzubinden. Anlegestellen, wenn das Boot unbeaufsichtigt bleiben soll, müssen sehr sorgfältig ausgesucht werden. Fender kann man nie zuviel haben.

SjöfjordVom Maurangerfjord segelten wir zum Sjörfjord bis zu seinem Ende und legten in Odda an. Auf dem Weg dorthin erreichten wir den nördlichsten Punkt unserer Reise auf 60° 26' N. Es war ein unglaublicher Segeltörn. - Kreuzen zwischen schneebedeckten Bergen. - Am Fuße der Berge satte grüneWiesen und Obstplantagen. Die Gipfel schneebedeckt 1000 bis 1600 m hoch. Wasserfälle rauschten überall zu Tal. Ab jetzt begann die Rückreise. Wir setzten unsere Reise durch den Karmsund, Mastraffjord und dem Högsfjord zum Lysefjord fort.

LysefjordAm Ende des Lysefjords in Lysebotn erwartete uns eine neugebaute Anlegestelle. Wir waren das einzige Boot. Am nächsten Morgen legten wir zeitig ab und gleiten lautlos an steil aufragenden Felsen und tosenden Wasserfällen vorbei. Plötzlich Fallböen. Wir bergen das Vorsegel und binden ein Reff ins Großsegel. Trotzdem beschleunigt das Boot zeitweilig auf über sieben Knoten. Der Wind weht im Fjord mit drei bis sechs Knoten aus Ost, die Wolken ziehen nach Nord. Obwohl wir sehr aufmerksam segelten, halsten wir mehrmals unfreiwillig, da der Wind ohne Vorankündigung umsprang.

Lysefjord

Die Lehre: Rechtzeitiger reffen und eine Bullentalje fahren. Diesmal entdeckten wir auch den hochberühmten "Prekestolen" (Predigtkanzel) - ein Felsvorsprung, der in schwindelerregender Höhe über dem Wasser ragt. Über Bergevik, Tananger und Stavanger erreichten wir wieder Mandal. Auf der Hinreise lagen wir hier mit drei Yachten längsseits an einem Schwimmsteg. Jetzt waren die Boote nicht mehr zu zählen. Alle Plätze an an Stegen und Kajen waren belegt. Päckchen von drei bis vier Booten sind die Regel. Die norwegischen und schwedischen Segler und Motorbootsportler haben jetzt in den Schul- und Industrieferien ihr Revier wieder in Besitz genommen.

Heimfahrt mit Verzögerungen

Da der tagelang wehende Nordwest eine hohe Dünung aufgebaut hatte, beschlossen wir, abzuwarten. Am Abend flaute der Wind jedoch ab. Farsund Radio sagte auf Anfrage bis zum nächsten Morgen maximal Windstärken um vier bis fünf Beaufort voraus. Die Voraussage der Deutschen Welle lautete: Starkwindgefahr für Skagerrak Zur Vorsicht wollten wir daher statt nach Thyborön den kürzeren Weg nach Hanstholm nehmen.

Heimische Ostsee

Travemü&nde

Um 21.30 Uhr legten wir zu einem Nachttörn über das Skagerrak ab. Da auch der Wetterbericht des Deutschlandfunks um 06.40 Uhr noch Starkwindgefahr meldet, nahmen wir leider weiter Kurs auf Hanstholm. Wir erreichten den Hafen um 11.00 Uhr. Von Starkwind immer noch keine Spur und in diesem Hafen kann man, wie im Hafenhandbuch sehr richtig beschrieben, nicht bleiben. Das Wasser in diesem reinen Industrie- und Fischereihafen ist außergewöhnlich stark verschmutzt und riecht übel nach einem Gemisch aus Diesel, toten Fischen und der Abluft aus den Fischmehlbetrieben. Obwohl total übermüdet, segelten wir nach kurzem Aufenthalt nach Thyborön weiter. Ab hier befanden wir uns wieder auf uns bekannten Gewässern. Durch den Limfjord, das Kattegatt, den Großen Belt, das Smalandsfahrwasser und den Grönsund erreichten wir Hesnäs auf Falster.

Unfreiwilliger Extratörn auf der Heimatetappe

Hesnäs - Stralsund wurde die letzte Etappe unseres Seetörns. Von Stralsund wollten wir über die Boddengewässer und die Oder nach Berlin zurückkehren. Kurz vor Stralsund, der Leuchtturm Gellen war schon in Sicht, erreichte uns der Funkspruch eines Sportkameraden, der uns detailliert über die Hochwassertragödie an der Oder aufklärte. Wir erfuhren erstmals, dass auch die Westoder für unbestimmte Zeit gesperrt war. Wir änderten den Kurs und segelten nun über Darßer Ort und Rostock nach Travemünde. Über Kanäle, Elbe und Havel erreichten wir, zwar später als geplant, aber wohlbehalten unseren Heimathafen.


Kristianssand

Lysefjord

Lysefjord

Maurangerfjord

Maurangerfjord

Leirvik

Sjörfjord

Sjörfjord

Kirkehamn

Kwinheradsfjord

Kwinheradsfjord

Stavanger

Bergen

Joachim -ETE- Müller sirrah@onlinehome.de