Die Vereinshistorie des VSW
Die Wurzeln unseres Vereins Schmöckwitzer Wassersportler in
Berlin-Schmöckwitz, Jagen 37 reichen zurück in das Dreikaiserjahr 1888 in dem am
4. November sieben Segler den Verein Schmöckwitzer Segler e.V. gründeten. Erst
1923 gelang es den damaligen Mitgliedern ein verwildertes Grundstück am Ufer der
Dahme vom preußischen Staatsforst zu pachten.
Ein großer Teil der Mitglieder
verlor angesichts der Aufgabe das 6000 m² große mit Gestrüpp und Unkraut
bewachsene Gelände urbar zu machen der Mut und trat aus dem Verein aus. Die 29
verbliebenen Mitglieder schafften es in in den nächsten vier Jahren nicht nur
das Gelände zu bereinigen und die ersten Steganlagen zu bauen, sondern konnten
bereits 1926 das neu errichtete VSS-Clubheim einweihen, das bis zur komplexen
Rekonstruktion 1999 mehreren Seglergenerationen als gesellschaftlicher
Mittelpunkt diente.
Im Jahre 1927 war der Mitgliederbestand schon wieder auf 70 Segler
angewachsen, die sich auf dem schönen Vereinsgelände im Schmöckwitzer Forst wohl
fühlten und deren Boote in einer weit ausladenden Bucht der Dahme gegen
westliche und südliche Winde gut geschützt sicher an den Stegen lagen. Auf dem
zirka 2000 m² großen Nachbargrundstück siedelte sich der Verein Christlicher
Junger Männer mit einer Kanuabteilung an. Der Name des Vereins hatte durch seine
aktiven und erfolgreichen Regatta- und Fahrtensegler bald einen guten Klang in
Berlin. Dazu trug auch die Jugendgruppe bei, in der ständig Mädel und Jungen das
Segeln erlernten und zu sportlichen Erfolgen geführt wurden.
Nachdem der Verein 1938 sein 50jähriges Bestehen feiern konnte , schränkte
der 1939 ausbrechende Weltkrieg das Vereinsleben immer mehr ein, bis es zum
Kriegsende durch die Besetzung des Clubgeländes durch sowjetische Truppen völlig
zum Erliegen kam. Sofort nach dem baldigen Abzug der Soldaten kehrten die
Mitglieder zurück, besserten die Schäden aus und begannen wieder mit dem Aufbau
der Vereinsstruktur. Die Zahl der Mitglieder stieg schnell und 1950 wurde
beschlossen, die Mitgliederliste zu sperren, da mit 120 Seglern die
Kapazitätsgrenze des Grundstückes und der Anlagen zunächst erreicht war.
Sportlich war der Verein bereits erfolgreich und seine Mitglieder waren wieder
auf Spitzenplätzen bei zahlreichen Regatten zu finden. Die Spaltung Deutschlands
und der immer eisiger werdende Kalte Krieg begannen nach 1950 das Klima
besonders für die in Westberlin beheimateten Mitglieder immer mehr zu
verschlechtern. Als im Frühjahr der VSS durch die Übertragung des Grundstückes
mit seinen Einrichtungen auf die Betriebssportgemeinschaft Stahl Lichtenberg (?)
enteignet und in zunehmendem Maße versucht wurde, die Mitglieder politisch zu
indoktrinieren, wandten sich die meisten der in Westberlin wohnenden Mitglieder
ab, mieden das Clubheim und schwammen mit ihren Booten aus. Die verbliebenen
Mitglieder waren zumeist im Ostteil der Stadt beheimatet und versuchten sich
mehr oder minder erfolgreich mit der neuen Situation abzufinden und sich in dem
neuen Verein einzurichten.
Als dann 1953 durch "Indiskretion" die Namen der Mitglieder bekannt wurden,
die in Westberlin die Neugründung des VSS betrieben und sich regelmäßig zu
geselligen Anlässen trafen, wurde diesen das Betreten des Grundstückes in
Schmöckwitz verboten und die sich in ihrem Besitz befindlichen Sportunterkünfte
beschlagnahmt. Einige im Ostteil lebende Mitglieder, die lediglich an den
erwähnten geselligen Treffen teilgenommen hatten, mußten regelrecht abschwören,
wenn sie sich ihre Mitgliedschaft in dem neuen Verein und teilweise auch ihre
berufliche Existenz erhalten wollten. In den Folgejahren trennten sich die Wege
der beiden Vereinsteile endgültig. Die Westberliner Kameraden beantragten 1953
erfolgreich die Lizensierung des VSS in West-Berlin und dem inzwischen auf
sieben Mitglieder zusammengeschmolzene Verein gelang es 1959 ein Gelände in
Heiligensee vom Bezirksamt Reinickendorf zu mieten und sich nach harter Arbeit
dauerhaft zu etablieren.
Die im Ostteil verbliebenen Kameraden bildeten besonders auf dem
Regattasektor den aktiven und sehr erfolgreichen Kern des Vereins der hier nun
zunächst entsprechend des jeweiligen Trägerbetriebes zunächst
Betriebssportgemeinschaft Motor Lichtenberg, Sektion Segeln und Kanu später BSG
Gebäudewirtschaft Prenzlauer Berg, Sektion Segeln und Kanu genannt wurde. Für
Bürger der alten Bundesrepublik, denen diese Vereinsnamen sicher nur sehr schwer
über die Zunge gehen, sei angemerkt: Der Sport war in beiden deutschen
politischen Systemen höchst unterschiedlich organisiert. Während in der alten
Bundesrepublik das Vereinswesen auf privater Grundlage fußte, und staatliche
Unterstützung und Förderung von der Initiative der Vereinsmitglieder abhing, war
in der DDR der gesamte Sport staatlich zentralistisch organisiert. Private
Vereine gab es nicht. Die materielle Ausstattung der Vereine erfolgte entweder
direkt durch staatliche Organe oder über den Umweg von sogenannten
Trägerbetrieben, die ab einer bestimmten Größe verpflichtet waren,
Sportorganisationen zu gründen oder zu übernehmen und sie entsprechend
auszustatten und zu alimentieren. Die Mitglieds- und Nutzungsbeiträge waren
symbolisch und konnten nur marginal zum Erhalt der Vereine beitragen. Das
Hauptkapital der Vereine war die Arbeitskraft, der Wille der Mitglieder und die
Geschicklichkeit der Vereinsleitungen Material- und Produktionskapazitäten
loszueisen. Geld hatte eigentlich nur die Rolle einer Planungsgröße. Zum
Verständnis - das rechtzeitige Decken eines Daches zu Beispiel scheiterte nie am
Geld sondern an der vom Trägerbetrieb nicht eingeplanten Dachpappe, die es
anderweitig nicht zu kaufen gab.
Durch die anfangs großzügige staatliche Unterstützung, die natürlich
teilweise auch der Konkurrenzsituation der beiden System geschuldet war, nahm
die Mitgliederentwicklung besonders durch die dem Verein geschenkten
Volkseigenen Piratenjollen einen sprunghaften Aufschwung. Viele Jugendliche und
Erwachsene, zunächst aus den Trägerbetrieben, dann zunehmend aus allen Teilen
Ost-Berlins, lernten auf diesen Booten das Segeln und beteiligten sich aktiv am
Regatta- und Fahrtensegeln. Noch heute gibt es eine Reihe von Mitgliedern im
Verein, deren Seglerkarriere auf jenen Booten begann.
Ohne die Sektion Kanu war 1956 der Mitgliederbestand auf dem ehemaligen
Gelände des VSS auf 180 Segler mit 55 Booten davon 16 volkseigene Jollen
angestiegen. Die volkseigenen Boote waren durchweg doppelt besetzt.
Eine Sternstunde für die Entwicklung des Kinder- und Jugendsportes schlug
1960, als es gelang, einen Freundschaftsvertrag mit dem Zentralhaus der Jungen
Pioniere in Berlin-Lichtenberg abzuschließen. Damit hatte der Verein Zugang zu
den finanziellen und materiellen Mitteln dieses staatlich stark geförderten
Hauses. Da ein Kamerad des Vereins außerdem als gelernter Bootsbauer Leiter der
Arbeitsgemeinschaft Bootsbau war, in der die Kinder sich unter Anleitung ihre
Boote selber bauten, hatte der Verein bald eine große Flotte von Kinder- und
Jugendbooten. Die 1960 vom Verein ins Leben gerufene Berliner Schülerwettfahrt,
an der teilweise bis zu 400 Kindern teilnahmen, gehörte bald zu den größten
Kinderregatten der DDR und wird auch heute noch gestartet.
In jenen Jahren hatten es nicht-systemkonforme Mitglieder schwer, sich dem
immer vorhandenen politischen Druck zu entziehen. Viele schafften es, indem sie
durch sportliche Erfolge und aktive Teilnahme am Aufbau des Vereins ihren Frust
kompensierten. Andere resignierten und leider verlor der Verein auch gute und
aktive Mitglieder nach harten Auseinandersetzungen an andere Vereine. Der Bau
der Berliner Mauer stellte erneut eine Zäsur dar. Jetzt verlor der Ostverein die
letzten seiner ehemaligen VSS-Mitglieder aus dem Westteil der Stadt, die nun
zunächst Schmöckwitz nicht mehr erreichen konnten.
Trotzdem nahm die sportliche Entwicklung in den Folgejahren einen steilen
Aufschwung. Besonders aktiv waren die Regattaseglerinnen und Segler, die in
einigen nationalen Klassen mehrmals die DDR-Meister stellten. Auch die
Jugendlichen kamen besonders in den Klassen 420er und Cadet zu Meisterehren. Die
Fahrtensegler belegten ebenfalls häufig Spitzenplätze im Berliner Maßstab.
Langfahrten über See waren zu dieser Zeit für normale Bürger leider nicht
erlaubt. Die sogenannten inneren Seegewässer der DDR, heute Seeseglern vom
Wetterbericht her, als Boddengewässer Ost bekannt, stellten die äußerste Grenze
für unsere Fahrtensegler dar.
Die vom ehemaligen VSS übernommenen Anlagen, wurden von den Sportlern des
Vereins in vielen Arbeitsstunden zunächst funktionsfähig gehalten, später
rekonstruiert, teilweise völlig erneuert und später beträchtlich erweitert.
Projekte scheiterten in dieser Zeit nie am guten Willen, an der Fähigkeit oder
Einsatzbereitschaft sondern höchstens an nicht beschaffbarem Material oder
mangelnder Produktionskapazität benötigter Fachbetriebe.
Die Wende, die sich im Frühjahr 1989 abzuzeichnen begann und im Herbst jenes
Jahres Gewissheit wurde, war ein Ereignis, das außer der überwiegenden Freude
und hoffnungsfrohen Erwartung durchaus auch Besorgnis und Zukunftsangst
auslöste. Bisher hatte der Staat die Strukturen und im wesentlichen auch die
materiellen Grundlagen für den Vereinssport bestimmt. Die Hauptsorge vieler
Vereine galt nun der Sicherung der Grundstücke, deren Eigentumsverhältnisse bei
einigen bis heute noch unklar sind, sowie der zukünftigen Finanzierung des
Vereins.
Bis zur Vereinigung Deutschlands waren die Kontakte zum VSS in Westberlin
jedoch nie vollständig abgerissen. Durch Mitglieder, die noch persönliche
Verbindungen hatten, waren eingeweihte Mitglieder stets auch über die
Entwicklung in Berlin-Heiligensee unterrichtet. Durch die vielen neuen und durch
die Vorgeschichte der Vereine nicht belasteten Mitglieder waren die turbulenten
Ereignisse bis zur Spaltung Deutschlands, die bei den älteren Mitgliedern in
beiden Teilen zum Teil tiefen Wunden hinterlassen hatten, nach und nach in
Vergessenheit geraten.
Da zur Wendezeit alle ehemaligen Vereinsmitglieder, die seinerzeit die
Vertreibung der Westberliner Kameraden mitorganisiert oder zu verantworten
hatten entweder verstorben oder schon vor längerer Zeit den Verein verlassen
hatten, stand der unverkrampften Kontaktaufnahme zum VSS nichts im Wege. Die
sondierende Abordnung wurde sehr kameradschaftlich empfangen und seither
bestehen enge freundschaftliche Beziehungen zum VSS in Heiligensee. Gegenseitig
werden regelmäßig die gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen besucht
und die Mitglieder können als Gastlieger kostenlos die Anlagen des jeweils
anderen Vereins nutzen.
Da die Betriebssportgemeinschaften mit der Vereinigung beider deutscher
Staaten aufhörten zu existieren, gründeten die Mitglieder am 31. 3. 1990 den
Verein Schmöckwitzer Wassersportler -VSW-, da der Name VSS bereits vergeben war
und durch die mit in den neuen Verein integrierten Kanusportler auch nicht mehr
den Gegebenheiten entsprochen hätte. Mit der Unterstützung durch die
Sportarbeitsgemeinschaft Köpenick und auch des VSS gelang es dem neuen Vorstand,
das Grundstück zu sichern und einen langfristigen Pachtvertrag mit dem
Stadtbezirk Köpenick abzuschließen.
Nach kurzer Stagnation hat sich seither der Verein wieder kräftig entwickelt.
Jährlich veranstaltet er die Berliner Schülerwettfahrt und die Sonderwettfahrt
für 15er Jollenkreuzer, O-Jollen und Kielboote. Zur Zeit liegt der
Mitgliederbestand bei ca. 135 Seglern und Kanuten davon 25 Kinder und
Jugendliche erfreulicher Weise nunmehr aus allen Teilen Berlins. Mitglieder des
Vereins sind wieder erfolgreich bei vielen Regatten auf heimischen und
auswärtigen Revieren zu finden. Einen großen Aufschwung hat auch das
Fahrtensegeln genommen. Der Verein belegte im Fahrtenwettbewerb der Berliner
Vereine mehrmals den ersten Platz. Auch in den bundesoffenen Wettbewerben im
Binnen-, See- und Hochseesegeln wurden Segler des Vereins mit Medaillen der
Kreuzerabteilung des Deutschen Seglerverbandes für die erfolgreiche Durchführung
ihrer Reisen bzw. erreichten Punkte ausgezeichnet.
Im Unterschied zur Vorwendezeit hat sich der Bootsbestand stark verändert.
Während vor der Wende Jollen und Jollenkreuzer dominierten, da Kielboote kaum
erhältlich waren und Seereisen sowieso nicht möglich, wird die Stegansicht des
Vereins jetzt von den hohen Masten der Kielboote beherrscht, die den Stander des
VSW schon bis ins norwegische Bergen, nach Oslo, auf die Alandinseln und nach
Helsinki getragen haben.
Nach kurzer Besinnung und Neustrukturierung begannen Vorstände und Mitglieder
schon bald mit der Planung und Organisation des weiteren Ausbaus des Vereins, um
ihn erfolgreich in das neue Jahrtausend zu führen. In den letzten Jahren wurden
mit großen finanziellen Beiträgen und vielen Arbeitsstunden der Mitglieder die
Steganlagen erweitert und neue Boote für die Ausbildung der Kinder- und
Jugendlichen angeschafft. Als Höhepunkt konnte der Verein, das rechtzeitig zum
Ansegeln am 15. April 2000 komplett rekonstruierte Vereinsheim zusammen mit dem
neu errichteten Sanitärgebäude einweihen. Besonderer Dank gilt hier dem Senat
und dem Stadtbezirk Köpenick ohne deren großzügige finanzielle und ideelle
Förderung diese Projekte nicht möglich gewesen wären.
Im Frühjahr 2001 konnten auf Initiative des Vorstandes und Vorfinanzierung
durch die meisten Mitglieder die Steganlagen des Vereins erneut erweitert
werden, so daß es nunmehr auch wieder möglich ist, einigen neuen Booten einen
Heimathafen zu bieten.
Joachim -ETE- Müller
sirrah@onlinehome.de